Benefizkonzert des Bundespräsidenten

Schwerpunktthema: Rede

Eltville am Rhein, , 26. Juni 2021

Bundespräsident Steinmeier hat sein Benefizkonzert im Kloster Eberbach, dessen Erlös in die Fortführung des Preises des Bundespräsidenten beim Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb fließt, am 26. Juni mit einer Ansprache eröffnet: "Sammeln wir Kraft und guten Mut für die Zeit, die nun vor uns liegt, für den Neubeginn nach der Pandemie! Zu diesem Neubeginn gehört in meinen Augen das Kulturleben ganz entscheidend hinzu."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache zu Beginn seines Benefizkonzerts in der Basilika von Kloster Eberbach

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Man könnte meinen, nichts sei geschehen, nichts habe sich je verändert in diesem großen und großartigen Raum, seit Bernhard von Clairvaux die Abtei vor fast 900 Jahren gegründet hat. Dieser Raum, diese romanische Basilika, sie scheint unverrückbar. Ein feste Burg, wie es in der Choralzeile heißt, die Mendelssohn in seiner Reformationssinfonie so wunderbar musikalisch verewigt hat.

Und doch, wir wissen, es ist viel geschehen, nicht nur in der langen, wechselvollen Geschichte des Klosters Eberbach. Nein, es ist viel geschehen in diesen vergangenen anderthalb Jahren der Pandemie – Monate, die unseren Alltag und unsere Gemeinschaft auf eine nie dagewesene Probe gestellt haben. Hinter uns liegt eine Zeit, die für so viele von Ihnen, von uns Verlust, Sorge, Einsamkeit, Tod, auch Trauer mit sich brachte. Nun aber befreien wir uns, Tag um Tag ein Stück mehr, aus den Fängen der Pandemie. Mit den wachsenden Impfzahlen erreichen mehr und mehr Menschen das rettende Ufer.

Ich freue mich sehr, dass wir – endlich! – heute Abend hier sein dürfen und in dieser Basilika einen neuen Aufbruch wagen können. Ich freue mich darüber, dass Konzerte wieder möglich sind und wir auch die Tradition der Benefizkonzerte des Bundespräsidenten wieder aufnehmen können; Benefizkonzerte, die auch über zwei Jahre lang pausieren mussten. Vor allem bin ich dankbar dafür, dass wir uns wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen können.

Ein Hauch von Neubeginn, von Aufatmen – all das liegt über diesem Abend. Und einen Neubeginn feiert auch Mendelssohns Reformationssinfonie. Sie feiert den Geist der Erneuerung, so wie ihn Bernhard von Clairvaux hier in Eberbach und in vielen Klöstern Europas verbreitet hat – Bernhard, zu dessen größten Bewunderern übrigens der spätere Reformator Martin Luther selbst gehörte.

Lassen wir uns heute Abend also anstecken vom Aufbruchsgeist der Musik von Sibelius und Mendelssohn. Sammeln wir Kraft und guten Mut für die Zeit, die nun vor uns liegt, für den Neubeginn nach der Pandemie!

Zu diesem Neubeginn gehört in meinen Augen das Kulturleben ganz entscheidend hinzu. Ich bin überzeugt: Unser Land braucht einen Neustart Kultur, um wieder auf die Beine zu kommen.

Auch deshalb danke ich Ihnen, dem Publikum, dass Sie heute hierhergekommen sind. Denn mit Ihrem Kommen machen Sie nicht nur diesen Abend und dieses Konzert möglich, Sie helfen uns, jungen Musikern zu helfen. Vor allem jenen, die noch studieren, also ganz am Beginn ihrer Laufbahn stehen. Die Pandemie hat ihnen vielfach Proben, vor allem aber öffentliche Auftritte und Konzerte unmöglich gemacht in den letzten zwei Jahren. Aus Gesprächen weiß ich, dass nicht wenige von ihnen mit dem Gedanken gespielt haben, aufzugeben, weil sie um ihre Existenz fürchteten, weil sie keine Zukunft mehr sahen für sich und ihren Beruf.

Ich würde gern jede und jeden einzelnen von ihnen dazu überreden, durchzuhalten, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und ihrer Berufung zu folgen. Doch ich weiß: Auf diesem Weg brauchen die Studierenden nicht nur gute Worte, sie brauchen vor allem Unterstützung.

Wettbewerbe wie der Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb können eine solche Unterstützung sein. Sie sind eine Herausforderung, ein Trainingslager und – wenn eine Teilnahme gut gelingt –, da bin ich sicher, auch ein Motivationsschub. Die damit verbundenen Geldpreise sind zugleich Auszeichnung und Unterstützung. Ich bin dankbar dafür, dass wir einen der Geldpreise dieses Wettbewerbs, nämlich den Preis des Bundespräsidenten, den Richard von Weizsäcker 1989 gestiftet hat, dass wir diesen Preis mit Ihrer Unterstützung fortführen können – und das hoffentlich noch viele Jahre lang.

Manchmal brauchen wir eine feste Burg, einen Schutzraum, in dem wir uns sammeln, uns umeinander scharen können. Die Musik ist vielleicht auch so eine feste Burg. Gemeinsam zu musizieren und Musik gemeinsam zu hören, war uns lange verwehrt. Manchem Musiker und manchem Dirigenten wird es wahrscheinlich ein Hochamt sein, mindestens Genuss und Erfüllung, wieder spielen, singen oder dirigieren zu können.

Auch für mich ist es ein großes Glück, wieder unter meinen Mitmenschen sein zu dürfen. Und Ihnen allen hier bei einem Konzert begegnen zu können: ein noch größeres Glück!

Die Musik, die vieles ist, soll uns heute auch ein Bote sein. Sie sagt uns, mit Mendelssohns Reformationssinfonie, dass ein Aufbruch möglich ist. Ein Aufbruch in eine Zeit, in der wir wieder füreinander da sein können. Sie, die Musiker, für uns, und wir für sie.

So danke ich Ihnen, liebe Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters des Hessischen Rundfunks, Ihnen, lieber Andrés Orozco-Estrada, und Ihnen, lieber Augustin Hadelich, dass Sie heute mit Ihrer Kunst für uns da sind.

Wir haben Sie alle lange vermisst! Wir freuen uns auf Ihre Kunst – wir brauchen sie! Und heute Abend werden wir sie ganz besonders genießen. Ich wünsche Ihnen allen ein ganz besonderes Konzerterlebnis.