Der Jazz ist zurück in Bellevue. Sie sind zurück, das freut mich sehr! Dennoch, einer fehlt. Viele werden sich erinnern: Vor zwei Jahren beim Konzert saß er noch hier im Garten auf einer Bank. Unverkennbar mit seinem schlohweißen Haar und den breiten Schultern, brummte er mit seiner tiefen Bluesstimme vor sich hin, wippte dabei ganz vergnügt mit den Füßen schon bei den ersten jazzigen Tönen; wahrscheinlich wäre er am liebsten selbst nach oben gestiegen. Ein großer Entertainer, ein Jazzsänger, ein Allrounder. Am 2. Juli ist er im Alter von 90 Jahren in Hamburg verstorben. Lieber Bill Ramsey, Sie bleiben uns unvergessen!
Ich erinnere mich noch gut an das Konzert vor zwei Jahren. Ein lauer Sommerabend, Wolfgang Haffner und sein Starensemble auf der Bühne, beeindruckende Jazzmusik – ein Sommernachtstraum.
Niemand konnte ahnen, dass auf diesen musikalischen Sommernachtstraum der Albtraum der Corona-Pandemie folgen würde. In den vergangenen anderthalb Jahren war Corona für viele Menschen in diesem Land schmerzhafte Wirklichkeit. Viele haben einen geliebten Menschen verloren, viele kämpfen mit den Spätfolgen dieser tückischen Krankheit, viele hatten und haben Angst um ihre Zukunft.
Ich denke heute Abend ganz besonders an die vielen Künstlerinnen und Kulturschaffenden, an die Musikerinnen und Musiker. Die Corona-Pandemie hat ihnen nicht nur ihr finanzielles Auskommen geraubt, sie hat ihnen das Wichtigste genommen: die Bühne. Sie hat ihnen das Gefühl gestohlen, vor Menschen zu stehen, Menschen mit ihrer Kunst in den Bann zu ziehen, Menschen auf eine gemeinsame Reise mitzunehmen. Ihnen fehlte, was Kunst ausmacht: ein Ort, sich anderen zu zeigen, sich auszudrücken, ja – Künstler zu sein.
Ich denke an all die Sänger, die verstummen mussten. An die Jazzmusikerinnen, die nicht mehr vor Publikum improvisieren konnten. An die Bühnenbauerinnen und Tontechniker, die keine Bühne mehr bauten und keinen Sound mehr mischten, weil die Bühnen leer und die Lautsprecher stumm blieben.
Dieser Abend ist also mehr als irgendein Konzert. Er ist ein Zeichen der Hoffnung, dass unser kulturelles Leben wiedererwacht; dass Künstlerinnen und Musiker wieder ihr Publikum finden; dass wir nie wieder so lange auf sie verzichten müssen.
Das ist meine Hoffnung auch für die Zeit, wenn der Sommer wieder dem Herbst weicht. Wir müssen diese Pandemie in Schach halten, nicht indem jeder macht, was er will, wie manche empfehlen, sondern indem sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Wir müssen Kunst und Kultur nicht nur einen Neustart schenken, wir müssen sie dauerhaft schützen und unterstützen. Das schulden wir all den Menschen, die von ihrer Kunst leben. Das schulden wir uns, die wir ohne Kunst und Kultur nicht leben können!
Eigentlich wollte Thomas Quasthoff mit seiner Band im vergangenen Sommer hier auftreten. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er das Konzert heute möglich macht. Denn was wir heute Abend erleben werden, ist eine Weltpremiere: Diese Combo wurde eigens für dieses Konzert zusammengestellt und vereint auf einer Bühne einige der größten Namen des deutschen Jazz.
Der Bandleader braucht keine lange Einführung. Er fühlt sich bei Schubert genauso zu Hause wie bei Shorter, bei Debussy wie bei Davis, bei Brahms wie bei Baker und Brubeck. Nur wenige changieren mit so einer Leichtigkeit zwischen den Genres und den Jahrhunderten. Herzlich willkommen, Thomas Quasthoff!
Mit ihm gemeinsam zu Gast ist die Grande Dame der deutschen Jazzszene. Sie stand mit Günther Fischer, Manfred Krug und so vielen anderen auf der Bühne. So wie ich
heißt eines ihrer gefeierten Alben. So wie sie ist, gibt es nur wenige andere in unserem Land. Eine große, eine gefeierte Jazzsängerin: Liebe Uschi Brüning, wie schön, dass Sie da sind!
Als er vor zwei Jahren hier auf der Bühne stand oder, besser gesagt, saß, war er schon einer der großen deutschen Jazzpianisten. Heute ist er zwei Jahre älter, aber immer noch erst 23, obwohl er mit seiner musikalischen Vita doppelt so alt sein müsste. Wir freuen uns auf Simon Oslender!
Wenn es eine Jazz-Nationalmannschaft gäbe, dann führte an ihm auf dem Schlagzeughocker kein Weg vorbei. Er ist quasi ein Manuel Neuer mit Drumsticks. Schon dreimal war er hier beim sommerlichen Jazzkonzert in Bellevue dabei. Wir sind ihm sehr dankbar, weil er uns immer wieder hilft, diese Konzerte zusammenzubringen. Und vor allem: Niemand hat so viel Groove wie er. Begrüßen Sie mit mir Wolfgang Haffner!
Wer mit Gregory Porter und Fritz Kalkbrenner auf der Bühne stand, mit Klaus Doldinger und mit Sarah Connor, der ist nicht nur in allen Stilrichtungen zu Hause, der ist zweifellos ein Meister seines Fachs. Wir freuen uns auf Thomas Stieger am Bass!
Genug der Worte – danke für die Musik. Danke an Thomas Quasthoff und Band. Danke an Sie alle für Ihr Kommen. Viel Vergnügen heute Abend!