Einen schönen guten Nachmittag nach Dortmund! Die weltweite Makkabi-Sportbewegung feiert ihren hundertsten Geburtstag, und hier aus Bellevue in Berlin rufe ich Ihnen einen herzlichen Glückwunsch zu!
Wenn wir heute an die Gründung Ihres Weltverbands erinnern, dann wird uns bewusst, wie eng die Geschichte der Makkabi-Bewegung mit der deutschen Geschichte verbunden ist. Ihren Anfang nahm die jüdische Sportbewegung im Jahr 1898 hier in Berlin, als der Student Wilhelm Lewy den Jüdischen Turnverein Bar Kochba
ins Leben rief. Und es waren vor allem deutsche Juden, die darauf hinwirkten, dass sich jüdische Sportvereine aus neun Ländern 1921 zum Makkabi-Weltverband zusammenschlossen.
Die Gründung jüdischer Sportklubs war damals auch eine Antwort auf antisemitische Tendenzen, die sich in der deutschen Turnbewegung verfestigten und ausbreiteten und immer wieder dazu führten, dass Menschen jüdischen Glaubens aus Vereinen ausgeschlossen oder als Mitglieder zweiter Klasse angesehen wurden. Den Gründern der ersten Bar-Kochba- und Makkabi-Vereine ging es aber vor allem darum, die zionistische Bewegung zu stärken, die für einen unabhängigen jüdischen Staat in Palästina eintrat. Andere jüdische Sportklubs, die damals ins Leben gerufen wurden, standen für andere politische Ideen und Überzeugungen oder betonten ihre Neutralität.
In diesem Jahr feiern wir 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Das Jubiläum der Makkabi-Bewegung führt uns noch einmal vor Augen, wie facettenreich der jüdische Beitrag zur Kultur unseres Landes ist und welch große Bedeutung dabei seit dem 19. Jahrhundert auch dem Sport zukommt. Es erinnert uns daran, wie stark Jüdinnen und Juden auch das Sportleben unseres Landes geprägt haben, ob sie nun den allgemeinen oder den jüdischen Vereinen angehörten.
Nach ihrer rechtlichen Gleichstellung im Kaiserreich strömten zahllose jüdische Deutsche in die Turn- und Sportvereine, übernahmen Ämter und Funktionen, feierten nationale und internationale Triumphe, wurden als Sportstars bejubelt und verehrt. Die Turner Alfred und Gustav Felix Flatow gewannen Medaillen bei den Olympischen Spielen; die Fußballer Gottfried Fuchs und Julius Hirsch schossen Tore für die deutsche Nationalmannschaft; Kurt Landauer prägte als Präsident den FC Bayern München; Walther Bensemann erfand die Zeitschrift Der Kicker
; die Hochspringerin Gretel Bergmann, die Speerwerferin Martha Jacob, der Boxer Erich Seelig oder der Fußballer Max Girgulski zählten zu den Größen des deutschen Sports.
Wir wissen: 1933, nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, brach auch im Sport das furchtbarste Kapitel der deutschen Geschichte an. Jüdinnen und Juden wurden aus den allgemeinen Sportvereinen ausgeschlossen, entrechtet, verfemt, gedemütigt. Viele von ihnen, auch daran erinnern wir uns heute, fanden vorübergehend Zuflucht in den jüdischen Vereinen, die die Nazis zunächst kurze Zeit fortbestehen ließen. Tausende neue Mitglieder schlossen sich damals den Makkabi-Klubs an; Sportstätten und Vereinsheime wurden zu Mittelpunkten jüdischen Lebens.
Nach den Pogromen vom November 1938 zerschlugen die Nationalsozialisten dann auch alle jüdischen Sportvereine; Athletinnen und Athleten, Trainer, Schiedsrichter und Funktionäre jüdischer Herkunft wurden verfolgt, vertrieben, verschleppt und ermordet, ihre Namen aus den Klubgeschichten gelöscht, ihre Porträts aus Sammelheften verbannt, ihre Leistungen aus den Bestenlisten getilgt.
Wir dürfen und wir wollen diesen Teil der deutschen Sportgeschichte nicht vergessen. Es ist wichtig, dass wir den jüdischen Sportlerinnen und Sportlern heute ihre Namen und ihre Gesichter zurückgeben, dass wir ihre Geschichten erzählen und ihre Schicksale anschaulich machen. Vor allem die jungen und die künftigen Generationen sollen und müssen erfahren, was damals geschehen ist. Nie wieder!
, das ist der Grundsatz, auf dem unsere Demokratie beruht. Wir müssen die Erinnerung wach- und lebendig halten, damit dieses Fundament auch in Zukunft unerschütterlich bleibt.
Nach dem Zivilisationsbruch der Shoah waren die meisten Überlebenden überzeugt, dass die Zeit des jüdischen Lebens in Deutschland für immer vorbei sei. Dass es längst wieder jüdisches Leben in unserem Land gibt, dass es heute wieder aufblühen kann, das haben wir vor allem denjenigen zu verdanken, die nach Verfolgung und Flucht wieder zurückgekehrt sind – zum Beispiel Max Loewy, den es 1957 zurück in seine deutsche Heimat zog, wo er den TuS Maccabi Düsseldorf wiedergründete und den Makkabi-Dachverband mit aufbaute.
Die Rückkehr von Makkabi nach Deutschland steht auch für das Geschenk der Versöhnung und des Vertrauens, das den nichtjüdischen Deutschen zuteilwurde. Als 1969 zum ersten Mal nach der Shoah wieder eine deutsche Mannschaft an der Makkabiade in Israel teilnahm, wurden die Athletinnen und Athleten, die hinter der schwarz-rot-goldenen Fahne ins Stadion von Tel Aviv einliefen, vom Publikum mit großem Applaus begrüßt – ein bewegender Moment nicht nur für die deutsch-jüdischen Sportlerinnen und Sportler, die damals mit dabei waren, sondern für unser ganzes Land.
Bis heute bauen die Makkabi-Vereine immer wieder neue Brücken zwischen der deutschen und der israelischen Gesellschaft. Ich danke Ihnen von Herzen dafür, dass Sie mithelfen, die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel in die Zukunft zu tragen!
Wie lebendig, vielfältig, schwungvoll jüdisches Leben heute an vielen Orten unseres Landes wieder ist, das lässt sich ganz besonders in den Makkabi-Vereinen erleben, von Kiel bis nach München, von Aachen bis nach Dresden und vor allem in Frankfurt. Makkabi chai, Makkabi lebt – und das, meine Damen und Herren, ist ein großes, ein unermessliches Glück für unser Land!
Die Makkabi-Vereine sind für viele Jüdinnen und Juden ein Zuhause mitten in unserer Gesellschaft, ein Ort, an dem sie ihre Religion, ihre Kultur, ihre Traditionen ganz selbstverständlich leben können. Und was mich besonders freut: Die Makkabi-Vereine in Deutschland wachsen – auch dank der Jüdinnen und Juden, die aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zugewandert sind, und dank der jungen Israelis, die es in unser Land zieht. Ich bin dankbar, dass Sie in Ihren Vereinen auch für diejenigen da sind, die neu in unser Land kommen, dass Sie ihnen helfen, Wege in unsere Gesellschaft zu finden.
Dankbar bin ich Ihnen auch dafür, dass Makkabi heute das Miteinander der vielen verschiedenen Menschen in unserem Land fördert. Schon seit vielen Jahren sind Ihre Vereine offen für alle, nicht nur für Menschen jüdischen Glaubens. Bei Makkabi trainieren Sportlerinnen und Sportler unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Religionen zusammen, feuern sich bei Wettkämpfen gegenseitig an, sind ein Team. Junge Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln lernen sich hier besser kennen, und sie lernen hier, sich zu respektieren. Manche nichtjüdische Mitglieder kommen in den Makkabi-Klubs zum ersten Mal überhaupt mit Jüdinnen und Juden in Kontakt.
Ich bin überzeugt: Nur so, in der alltäglichen Begegnung, im sportlichen Miteinander, kann es gelingen, Klischees, Vorurteile, Ressentiments zu überwinden. Und wie viel zu tun ist im Kampf gegen Antisemitismus in unserer Gesellschaft, das wissen die meisten von Ihnen leider aus eigener Erfahrung. Immer wieder werden Makkabi-Mitglieder auf Sportplätzen, auf der Straße oder im Netz beschimpft, beleidigt und bedroht, weil sie jüdisch sind oder als jüdisch wahrgenommen werden. Manche haben Angst, ihr Judentum offen zu zeigen; einige trauen sich nicht mehr, das Makkabi-Trikot mit dem Davidstern auf der Brust zu tragen, wenn sie in ihrer Stadt unterwegs sind.
Das dürfen, das werden wir in diesem Land nicht hinnehmen. Es ist die Pflicht unseres Staates, Jüdinnen und Juden zu schützen und Antisemitismus zu bekämpfen, in welcher Form auch immer er sich äußert. Aber auch unsere Gesellschaft steht in der Verantwortung. Deshalb geht mein Appell heute an alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes: Lassen Sie uns Antisemitismus gemeinsam und entschlossen entgegentreten. Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen gegen Hass und Menschenfeindlichkeit, für die Würde jedes und jeder Einzelnen!
Liebe Makkabi-Familie, dankbar bin ich Ihnen nicht zuletzt dafür, dass Sie auch den weltweiten Austausch fördern, die Verständigung über Grenzen hinweg. Ich erinnere mich noch gut an die European Maccabi Games, die 2015 zum ersten Mal überhaupt hier in Berlin stattfanden. Siebzig Jahre nach dem Ende der Shoah strömten jüdische Sportlerinnen und Sportler aus ganz Europa in den Olympiapark, an jenen Ort, an dem die Nationalsozialisten jüdischen Athletinnen und Athleten 1936 die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt hatten. Was für ein Geschenk, was für ein Vertrauensbeweis für unser Land!
Ich weiß, Sie alle sind riesig froh, dass es jetzt, nach den langen Monaten der Corona-Zeit, auf den Plätzen und in den Hallen endlich wieder richtig losgehen kann. Am Montag fällt der Startschuss für die deutsch-jüdischen Meisterschaften in Düsseldorf, und viele von Ihnen bereiten sich schon auf die Makkabiade nächstes Jahr in Israel vor. Ich wünsche allen Sportlerinnen und Sportlern viel Glück und Erfolg. Ich danke allen, die sich in den Vereinen tagtäglich für Respekt, Toleranz und Fair Play einsetzen. Und ich gratuliere der weltweiten Makkabi-Bewegung zu ihrem hundertsten Geburtstag: Alles Gute und herzlichen Dank!