"Takeover Bellevue" – Übergabe des Amtssitzes für einen Tag an 150 junge Menschen

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 7. Oktober 2021

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 7. Oktober beim "Takeover Bellevue" seinen Amtssitz für einen Tag an 150 junge Menschen übergeben, um deren Anliegen zu unterstützen. Bei der symbolischen Schlüsselübergabe sagte er: "Sie, die Jungen, waren in der Pandemie solidarisch mit den Älteren – jetzt liegt es an den Älteren, solidarisch mit den Jungen zu sein. Und das bedeutet konkret: Sie verdienen eine Politik, die Ihre Zukunft offenhält. Ihre Hoffnungen und Ihre Fragen gehören auf die politische Agenda unseres Landes."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede am Schlossportal vor dem "Takeover Bellevue", bei dem der Amtssitz des Bundespräsidenten für einen Tag an 150 junge Menschen übergeben wird.

Solange Sie, die hier neben und hinter uns stehen, noch nicht die Schlüsselgewalt übernommen haben, darf ich sagen: Was für eine Freude, so viele junge Gäste hier zu haben! Dieses Schloss hat ungefähr 240 Jahre auf dem Buckel, und es hat viele Menschen kommen und gehen sehen. Aber es hat vermutlich selten so viele Ideen, so viel Schwung erlebt, wie an diesem heutigen Tag, so viele neugierige Augen von jungen Menschen gesehen. Schön, dass Sie gekommen sind! Meine Frau und ich freuen uns wirklich auf den heutigen Tag.

Generation Corona, diesen Stempel haben viele junge Menschen in den letzten anderthalb Jahren aufgedrückt bekommen. Ausgebremst im Alltag, verbannt aus Klassenzimmern und Hörsälen, allein vor dem Bildschirm. Langeweile, Frust und Angst, Einsamkeit.


Mitschnitt der Rede

Aber ich habe in vielen Gesprächen gemerkt: Sie, die junge Generation, lässt sich nicht abstempeln, und sie lässt sich nicht ausbremsen. Sie legen trotz Pandemie, trotz harter Einschnitte unendlich viel Mut und Engagement an den Tag.

Ich habe von diesem Engagement in vielen, vielen Begegnungen mit jungen Menschen während der Pandemie erfahren, und ich kann Ihnen versichern, wir haben allergrößte Hochachtung davor. Vor den Schülerinnen und Schülern, die abends nach dem Homeschooling geflüchteten Kindern digitalen Nachhilfeunterricht geben. Vor den Jugendlichen, die eine kostenlose Online-Plattform für psychologische Ersthilfe eingerichtet haben. Vor den Chemie-Studierenden, die auf eigene Faust Desinfektionsmittel zusammenrührten, als es im Laden keine mehr gab. Mit anderen Worten: Wir haben Respekt vor Ihnen allen, die heute bei uns sind. Sie alle stehen für eine Generation, die sich nicht ausbremsen lässt. Die für andere da ist. Die etwas bewegen will.

Meine Frau und ich finden beide, das ist während der Pandemie viel zu wenig wahrgenommen worden. Junge Menschen sind eben keine passiven Politik-Erdulder. Sie mischen sich ein, sie sind Zukunft, sie wollen Zukunft! Und deshalb gehören sie nicht auf die Zuschauertribüne der Politik, sondern sie sollen mitmachen, mitten im Herzen der Republik. Deswegen ist dieser heutige Tag so wichtig, um zu zeigen: Dieser Amtssitz ist auch Ihr Amtssitz.

Und noch etwas anderes ist meiner Frau und mir heute wichtig: Unser Land darf auch nicht vergessen, was Corona für Sie bedeutet! Ausgerechnet in den schönsten Jahren, ausgerechnet am Start ins Leben hat die Pandemie Sie hart getroffen. Sie, die jungen Menschen, haben auf unendlich viel verzichtet, um andere zu schützen. Sie haben einen großen Anteil daran, dass Menschenleben bewahrt wurden, und daran, dass wir alle als Gesellschaft beieinandergeblieben sind. Dafür möchten meine Frau und ich Ihnen ganz herzlich danken.

Aber Dank kann nicht alles sein, sondern meine, unsere Botschaft ist diese: Sie, die Jungen, waren in der Pandemie solidarisch mit den Älteren – jetzt liegt es an den Älteren, solidarisch mit Ihnen zu sein. Und das bedeutet konkret: Sie verdienen eine Politik, die Ihre Zukunft offenhält. Ihre Hoffnungen und Ihre Fragen gehören auf die politische Agenda unseres Landes.

Heute, hier beim Takeover Bellevue, machen Sie die Agenda. Schon während der Vorbereitungen haben wir gesehen, dass es heute um viel mehr als um die Pandemie gehen wird. Sie haben entschieden, über Diskriminierung, Inklusion, Klimaschutz, Europa, Digitalisierung, Bildung und vieles, vieles mehr zu sprechen. Sie haben große Zukunftsfragen auf die Tagesordnung gesetzt.

Und ich finde: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Jetzt, da wir uns –Impfstoffen sei Dank – Schritt für Schritt aus der Pandemie befreien; jetzt, da die Zukunft nach Corona endlich in Sicht gerät, werden die Weichen fürs nächste Jahrzehnt gestellt.

Eine zukünftige Bundesregierung wird Antworten auf die Fragen finden müssen, die Sie stellen. Ich hoffe sehr, dass Sie heute auch auf der anderen Seite des Tiergartens – im Regierungsviertel, rund um den Bundestag, wo viele Diskussionen in diesen Tagen stattfinden – gehört und gesehen werden. Und am besten nicht nur heute, sondern ernsthaft und auf Dauer. Unsere Unterstützung haben Sie.

Bevor wir loslegen, ein Wort zu unseren Partnerinnen und Partnern: Ohne die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, ohne Unicef, die Zeit-Stiftung und die Hertie-Stiftung wäre dieses Projekt, dieser Tag nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank für ihre Unterstützung und für ihre Begeisterung für dieses besondere Projekt!

Jetzt das Wichtigste: Wir übergeben Ihnen nun den symbolischen Schlüssel für diesen Amtssitz. Wir übergeben ihn Kai Ammermann stellvertretend für Sie alle. Mit einem Schlüssel ist heute nicht mehr viel anzufangen, deshalb haben wir auch die Passwörter für den Instagram-Kanal des Bundespräsidenten übergeben. Die hat Sakye Bouraki für alle übernommen.

The floor is yours! Wir freuen uns auf Debatten mit Ihnen und auf gute Ergebnisse. Und Ihnen wünsche ich viel Spaß, viel Freude und gutes Gelingen!