Videoansprache beim Festakt zum 200. Geburtstag von Georg Weerth

Schwerpunktthema: Rede

Detmold, , 17. Februar 2022

Bundespräsident Steinmeier hat den Demokraten Georg Weerth zu seinem 200. Geburtstag am 17. Februar mit einem Namensbeitrag in der Lippischen Landeszeitung sowie mit einer Videobotschaft geehrt: "Zu jeder Zeit braucht es Menschen, die mit ihren Ideen und Taten vorangehen, um die Probleme ihrer Zeit zu lösen. Auf den Leistungen und Opfern von Menschen wie Georg Weerth gründet unsere heutige Ordnung von Freiheit, Demokratie und dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit."


Georg Weerth war ein bemerkenswerter Mann. Ein Kaufmann, Schriftsteller und Politiker. Ein früher Streiter für Freiheit und Gerechtigkeit. Ein Revolutionär und Weltreisender. Und er war ein Detmolder.

Es muss hinausgegangen sein. Hätt‘ ich Siebenmeilenstiefel, da wüsste ich, was ich täte. Als Georg Weerth 1843 diese Zeilen an seine Mutter schrieb, da war er schon lange aus seiner Heimatstadt hinausgegangen, wenn auch vorerst nur bis ins Rheinland.

Besonders geprägt haben ihn seine Jahre in den englischen Industrierevieren. Man muss sich in England mit dem armen Volke abgegeben haben, um zu wissen, was es für Unglück auf der Welt gibt, das schrieb Weerth damals. Seine Reportagen und sozialkritischen Gedichte machten ihn bekannt. Schrankenloser Kapitalismus allein führt nicht automatisch zu Wohlstand für alle; Georg Weerth wusste das schon hundert Jahre bevor in Deutschland die soziale Marktwirtschaft zur Grundordnung wurde.

Während der Revolution 1848 unterstützte er Karl Marx bei der Herausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung in Köln. Er schrieb für das demokratische Blatt und für ein demokratisches Deutschland. Doch schon bald wurde Weerth ein Opfer der politischen Reaktion, von neuer Zensur und Unterdrückung. Europamüde zog er tatsächlich Siebenmeilenstiefel an, ging als Geschäftsmann nach Lateinamerika und starb schon 1856 in Havanna auf Kuba.

Die größten Kinder einer Stadt sind nicht immer ihre populärsten. Das gilt besonders dann, wenn ihre politischen Ideen und Ideale im Widerspruch zu den Mächtigen ihrer Zeit standen. Wer sich im 19. Jahrhundert für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit einsetzte, der hatte keinen leichten Stand – nicht im Leben und auch nicht in der Erinnerung.

Umso bemerkenswerter ist es, dass bei uns in Detmold Georg Weerth keineswegs vergessen ist. Schon vor mehr als fünfzig Jahren wurde eine erste Gedenktafel für ihn errichtet, das Lippische Landesmuseum betreut heute das Weerth-Archiv, und es pflegt mit seinen Ausstellungen ebenso engagiert die Erinnerung wie die renommierte Grabbe-Gesellschaft.

Zu jeder Zeit braucht es Menschen, die mit ihren Ideen und Taten vorangehen, um die Probleme ihrer Zeit zu lösen. Auf den Leistungen und Opfern von Menschen wie Georg Weerth gründet unsere heutige Ordnung von Freiheit, Demokratie und dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit. Menschen wie Weerth machen Mut, dass wir auch heute die Herausforderungen unserer Zeit meistern können. In dieser Erkenntnis liegt vielleicht der größte Wert der Geschichte – und deshalb ist der Blick zurück so wichtig für unsere Gegenwart wie für unsere Zukunft.