Grundsteinlegung für den Neubau des Goethe-Instituts Senegal

Schwerpunktthema: Rede

Dakar/Senegal, , 21. Februar 2022

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Grundsteinlegung für den Neubau des Goethe-Instituts in Dakar am 21. Februar eine Ansprache gehalten. Er äußerte sich "optimistisch, dass wir, Afrika und Europa, die großen Aufgaben, vor denen wir stehen, gemeinsam meistern können, wenn wir sie gemeinsam anpacken. Ich bin überzeugt, wir können dabei viel voneinander lernen: Wir brauchen Ideen und Erfahrungen aus unseren beiden Kontinenten."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede bei der Grundsteinlegung für den Neubau des Goethe-Instituts in Dakar

Die[se] gleichzeitige Entdeckung der schwarzafrikanischen Kulturen und der deutschen Bewegung des Sturm und Drang war, zumindest für mich, von entscheidender Bedeutung für die Herausbildung des Begriffs der Négritude. Léopold Sédar Senghor

Welch überraschende Gedanken! Welch überraschendes Bekenntnis von Léopold Sédar Senghor, damals, im Jahr 1968. Es war eine unruhige Zeit, in Europa brodelt es, auch in Frankfurt, auch draußen vor der Paulskirche. Genau dort, in der Paulskirche, bekommt Senghor, der große Dichter und Philosoph, den wichtigsten deutschen Literaturpreis, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Eine kleine Sensation damals.

Und auch Senghors Rede hatte es in sich. Sie war poetisch und politisch zugleich. Da sprach nicht nur der erste Preisträger aus Afrika, sondern auch der große Staatsmann, der erste Präsident des unabhängigen Senegal. Einer, der einst ausgerechnet als Kriegsgefangener des Nazi-Regimes Zeit fand, um sich noch einmal intensiv mit den Werken von Johann Wolfgang von Goethe und der deutschen Romantiker zu befassen. Kennengelernt hatte er sie schon in Paris. Da sprach einer, der sich nicht nur als Vorkämpfer der Négritude, sondern auch als Vorkämpfer einer künftigen Weltkultur sah. Und der klar erkannte, wie verflochten die Welt bereits war – lange bevor wir von Globalisierung sprachen. Senghors Ideen waren nicht unumstritten. Aber sie waren ungeheuer modern!

Es hat mich sehr beeindruckt, das Haus von Léopold Sédar Senghor gleich nebenan zu besuchen. Wenn wir heute hier zusammenkommen, dann schließt sich in gewisser Weise ein Kreis. Ich könnte mir keinen besseren Ort vorstellen für den neuen Sitz des Goethe-Instituts als in unmittelbarer Nachbarschaft dieses Museums zu Ehren des Dichters und Staatsmanns. Für uns Deutsche ist das eine große Freude und eine ganz besondere Ehre. Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Herren Minister Sow und Diop, als Bundespräsident dafür danken! Vielen Dank für die Einladung zu dieser Grundsteinlegung heute auch Ihnen, liebe Frau Professorin Lentz, ich freue mich sehr! Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, heute hier zu sein.

Die Zukunft Afrikas, die gemeinsame Zukunft unserer beiden Kontinente – das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Meine Reisen haben mich auch als Bundespräsident immer wieder in afrikanische Länder geführt: nach Ghana und Gambia, Südafrika und Botswana, nach Äthiopien vor Beginn des Bürgerkriegs und zuletzt nach Kenia und in den Sudan. Und überall war ich beeindruckt vom Willen zum Aufbruch und vom Willen zu Reformen, vom unendlichen kulturellen Reichtum und der Vielfalt, von der Kreativität und dem Optimismus der Menschen, denen ich begegnet bin.

Und ich freue mich auf viele weitere Begegnungen und Gespräche hier bei Ihnen im Senegal! Heute Morgen hatte ich bereits die Freude, erneut mit Präsident Macky Sall zusammenzutreffen, und unser Treffen war geprägt vom Geist der Freundschaft, der über Jahre zwischen unseren beiden Ländern gewachsen ist.

Sie, lieber Philip Küppers, Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Goethe-Instituts, Sie leben diese Freundschaft hier in Dakar, in dieser faszinierenden, lebendigen Kulturmetropole, Tag für Tag, seit mehr als 40 Jahren, und dafür möchte ich Ihnen heute danken. Ihre Arbeit, Ihr Engagement ist ein unermesslich wertvoller Beitrag zum kulturellen Austausch zwischen unseren beiden Ländern, zwischen der ganzen Region und Europa. Mehr noch, ich bin fest davon überzeugt: Diese Arbeit ist Teil unserer gemeinsamen Zukunft. Hier bei Ihnen lernen nicht nur immer mehr Menschen die deutsche Sprache – die Sprache, die schon Léopold Senghor fasziniert hat. Mit Ihren zahlreichen Projekten gerade in der so spannenden und inspirierenden Kultur- und Kreativwirtschaft des Senegal schaffen Sie Perspektiven für junge Leute, für junge Künstlerinnen und Musiker.

Gerade die Musik aus dem Senegal ist es ja, die inzwischen auch bei uns in Deutschland viele Menschen begeistert. Die Rhythmen von Baaba Maal, von Mansour Seck, die beide heute hier sind, auch des Orchestra Baobab, von Youssou N´Dour, Ismaël Lô, das ist Weltmusik, die die Menschen über die Kontinente hinweg verbindet. Sie ist Weltkultur ganz im Sinne Senghors.

Gerade in der schweren Zeit der Pandemie haben wir doch alle noch einmal ganz neu gelernt, wie wichtig Kultur für eine Gesellschaft ist, wie sehr sie uns fehlt, wenn keine Auftritte, keine Konzerte, keine Begegnungen möglich sind. Und gerade deshalb ist ein Ort, wie er hier entstehen soll, so wichtig: Ein Ort, der Wissen vermittelt und an dem man lernen kann. Aber eben auch ein Ort der Begegnung unter diesem so beeindruckenden Baobab-Baum, wie es Tradition ist im Senegal. Ein Ort, an dem Menschen aus Afrika und Europa, aus dem Senegal und Deutschland sich treffen können und miteinander ins Gespräch kommen: über ihren Alltag, über ein Konzert, das sie gerade gehört haben. Aber auch über die großen Fragen der Menschheit, über Globalisierung, Migration, über Kolonialismus und die Rückgabe von Kulturgütern, und ganz zentral, die Bekämpfung des Klimawandels – das ist die größte und dringendste Menschheitsaufgabe, vor der wir alle stehen.

Hier entsteht ein Gebäude, das in seiner Bauweise wegweisend ist – ein Gebäude, das Tradition und Moderne verbindet und ökologisch nachhaltig ist. Ihnen, sehr verehrter Francis Kéré, danke ich für den wunderbaren Entwurf. Sie leben und arbeiten in Europa und Afrika, Sie verbinden Ideen und Traditionen aus beiden Kontinenten! Sie sind ein Brückenbauer im besten Sinne des Wortes!

Solche Brücken zwischen unseren Kontinenten, davon bin ich überzeugt, brauchen wir noch viel mehr. Erst letzte Woche hatte ich in Berlin eine Gruppe von jungen Leuten aus afrikanischen Ländern zu Gast, die nun, nach einem Jahr in einem deutschen Unternehmen, zurückgehen in verschiedene afrikanische Länder als junge Führungskräfte. Sie wollen etwas bewegen, wollen ihre Länder voranbringen. Ich war beeindruckt von ihrem Engagement, ihrer Leidenschaft, ihrem Optimismus und ihrer Kreativität!

Diesen Optimismus, diese Kreativität, die erlebe ich auch hier bei Ihnen in Dakar. Und das stimmt mich optimistisch, dass wir, Afrika und Europa, die großen Aufgaben, vor denen wir stehen, gemeinsam meistern können, wenn wir sie gemeinsam anpacken. Ich bin überzeugt, wir können dabei viel voneinander lernen: Wir brauchen Ideen und Erfahrungen aus unseren beiden Kontinenten – das neue Goethe-Institut ist ein schönes Beispiel dafür.

Und damit bin ich wieder beim Erbe des großen Léopold Senghor. Möge dieser Ort einer des Austauschs, der Neugier, der Begegnung und der Verständigung werden!