Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an Medaillengewinnerinnen und -gewinner der Deaflympischen Winterspiele 2019, der Deaflympischen Sommerspiele 2022 und der World Games 2022

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 9. September 2022

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 9. September bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an Medaillengewinner der Deaflympics und der World Games eine Ansprache in Schloss Bellevue gehalten: "Wer solche Leistungen erbringen will wie Sie, muss extrem diszipliniert trainieren und sich nicht einmal selten quälen. Und man braucht große Zuversicht, um auch in schwierigen Phasen weiterzumachen und das Ziel am Horizont nicht aus den Augen zu verlieren."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an Medaillengewinner der Deaflympics und der World Games im Großen Saal von Schloss Bellevue

Ich freue mich sehr, dass Sie heute hier ins Schloss Bellevue gekommen sind, um sich feiern zu lassen – und um die höchste sportliche Auszeichnung entgegenzunehmen, die unser Land vergeben kann.

Jede und jeder Einzelne von Ihnen hat sich diese Auszeichnung verdient. Sie alle haben - entweder bei den Deaflympics oder bei den World Games – herausragende Erfolge im internationalen Spitzensport erzielt. Und das ging nur aus einem Grund: Sie alle besitzen ein Talent, das bei Ihnen so ausgeprägt ist wie bei wenigen anderen Menschen im Rest der Welt.

Talent ist etwas, das man sich nicht erarbeiten kann. Es wird einem einfach so geschenkt. Aber damit aus Talent am Ende Medaillen werden, braucht es allerdings noch ein paar andere Voraussetzungen. Zum Beispiel braucht man das Glück, die eigene Begabung zu entdecken – man braucht jemanden um sich, der einen ermutigt.

Und dann kommt die Arbeit. Ihnen muss ich es nicht sagen: Wer solche Leistungen erbringen will wie Sie, muss extrem diszipliniert trainieren und sich nicht einmal selten quälen. Und man braucht große Zuversicht, um auch in schwierigen Phasen weiterzumachen und das Ziel am Horizont nicht aus den Augen zu verlieren.

Aber es gibt noch etwas, das jeder von uns braucht – egal ob im Sport oder in der ganzen Gesellschaft: Die Chance, den eigenen Weg auch tatsächlich gehen zu können.

Diese Chance wird eben nicht jedem in gleicher Weise gewährt. Manchmal muss man ein Pionier sein, um sie sich selbst zu schaffen: Die deutschen Gehörlosensportler handelten vor mehr als hundert Jahren mutig und beherzt in diesem Geist, als sie den ersten Behindertensportverband in Deutschland überhaupt gründeten.

In einer Zeit, in der Behindertensport noch gar nicht gedacht wurde, gelang es ihnen, in ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit, damals schon ein strukturiertes Sportwesen aufzubauen. Das Ziel damals war Chancengleichheit für Gehörlose und Hörbehinderte im Wettkampf. Seit 1928 nehmen deutsche Sportler an den Weltspielen für Gehörlose teil, die heute Deaflympics heißen.

Von diesem Pioniergeist der Gehörlosensportler profitieren wir heute als Gesellschaft. Denn dieser Geist hat der Inklusion einen wichtigen Weg gebahnt. Inzwischen kommen gerade im Breitensport zunehmend Menschen mit und ohne Behinderung zusammen, um zu trainieren, zu spielen und das Miteinander und die Vielfalt zu leben.

Ich darf heute behinderte und nicht behinderte Sportlerinnen und Sportler mit dem Silbernen Lorbeerblatt auszeichnen. Das ist inzwischen auch hier im Hause zu einer schönen Tradition geworden, die den Gedanken der Inklusion hier im Schloss Bellevue feiert. Und das Ziel von Sportlerinnen und Sportlern ist schließlich überall dasselbe: Unter den Besten zu sein, am liebsten ganz vorne.

Genau deshalb, liebe Gäste, sind Sie heute hier: Jede und jeder von Ihnen hat hervorragende sportliche Leistungen erbracht und eine Medaille gewonnen – entweder bei den Deaflympischen Winterspielen 2019 in Valtellina–Valchiavenna, den Sommerspielen 2022 in Caxias do Sul oder bei den World Games in diesem Jahr in Birmingham in den USA. Einige von Ihnen haben sogar mehrere Medaillen mitgebracht. Sie alle können auf Ihre Leistungen sehr stolz sein. Meinen herzlichen Glückwunsch zunächst einmal für Sie alle!

Insgesamt 47 Medaillen haben deutsche Sportlerinnen und Sportler bei den World Games in diesem Jahr errungen – 24 waren davon Goldmedaillen für den Sieg. Damit haben Sie unser Land auf Platz Eins des Medaillenspiegels gebracht. Welch ein Erfolg! Sie alle brillieren in Sportarten, die ein wenig abseits des olympischen Kanons liegen, aber weltweit sehr weit verbreitet sind.

Auch das ist ein Zeichen der Vielfalt – genau wie die Runde der Eingeladenen hier und heute.

Der jüngste, der heute ausgezeichnet wird, ist der 16-jährige Silbermedaillengewinner mit der Handballmannschaft, Lukas Kaut.

82 Jahre alt ist Sergey Salov, der gemeinsam mit seinem Schachteam Silber errang – ich konnte es nicht nachprüfen, aber ich würde behaupten, vermutlich hat noch nie ein älterer Sportler diese Auszeichnung entgegengenommen.

Bei den World Games haben wir erneut gezeigt, dass Faustball und Kanupolo so etwas wie unsere Paradedisziplinen sind – genau wie das Rettungs- und Flossenschwimmen. Im Faustballwettbewerb der Frauen, der erstmals ausgetragen wurde, holte unsere Mannschaft gleich auf Anhieb Gold – so wie erneut die Herren, die schon 2017 und 2013 siegten. Auch die Beachhandballerinnen erreichten die Goldmedaille, genau wie die Herren im Kanupolo.

Flossenschwimmer Max Poschart, der erst im April seinen eigenen Weltrekord über 100 Meter eingestellt hatte, holte drei Mal Gold und zwei Mal Bronze. Die Rettungsschwimmerin Nina Jane Holt ist mit fünf Medaillen die erfolgreichste deutsche Teilnehmerin der World Games 2022.

Wenn ich hier einige von Ihnen mit Namen nenne und einzelne Sportarten aus der großen Bandbreite hervorhebe, dann nur stellvertretend für Sie alle. Denn heute sind hier beinahe 100 Athleten eingeladen, um ausgezeichnet zu werden – und mit jeder einzelnen Ihrer Medaillen ist eine ganz eigene Erfolgsgeschichte verbunden.

Sie alle haben die Wochen der Wettkämpfe auch als Gemeinschaftserfahrung erlebt: Als Mannschaft, die mit ihren Fans und ihren Helfern an einen Ort reist, um sich friedlich und fröhlich zum Wettstreit mit Vertretern anderer Nationen zu treffen.

Gerade jetzt, da Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, ist es enorm wichtig, dass wir die völkerverständigende Kraft des Sport pflegen. Es ist das richtige Zeichen, weiter auf Begegnung, aufs Miteinander, auf Fairness und Respekt vor dem anderen zu setzen. Diese Werte haben Sie für unser Land vorbildlich vertreten. Dafür danke ich Ihnen. Und auch zu dieser Leistung gratuliere ich Ihnen herzlich – so wie zum Silbernen Lorbeerblatt, mit dem wir Sie nun auszeichnen dürfen.