Fast möchte ich scherzhaft sagen: Was für ein glücklicher Umstand, dass wir beide – und dazu Tammy und Elke – heute gleichzeitig in New York sind, um uns hier zu treffen! Denn es hätte ja auch gut sein können, dass Sie gerade in Berlin sind.
Wenn ich jetzt den berühmten Koffer bemühen würde, den manche in Berlin haben, dann wäre das in Ihrem Fall eine Untertreibung. Denn Ihre Familie und Sie sind im Grunde genommen ein Stück weit geblieben, was ich auch bin: Bewohner von Berlin, einer Stadt, die wohl auch deshalb so viele Deutsche wie Amerikaner fasziniert, weil die Sehnsucht nach Freiheit dort zu unterschiedlichen Zeiten intensiver spürbar war als an vielen anderen Orten der Welt. Mehr als manch anderer hätten Sie heute Grund zu sagen: Ich bin ein Berliner.
Dass Ihnen, lieber Philip, nicht nur Berlin, sondern unser ganzes Land ans Herz gewachsen ist, das kann bis heute jeder erkennen, der mit Ihnen spricht. Ihr Wissen, Ihre Empathie, Ihr zwischen Deutschland und Amerika dicht geknüpftes Netz von Freunden und politischen Weggefährten – das ist das, was entsteht, wenn jemand seinem Gegenüber so wie Sie begegnet: mit offenem Sinn, großem Interesse und dem aufrichtigen Wunsch, den anderen zu verstehen.
We will first listen and understand – and then speak and act!
Das haben Sie in Ihrer ersten Rede in Deutschland gesagt, nachdem der damalige US-Präsident Barack Obama Sie 2009 zum Botschafter ernannt hatte. Und Sie haben es ernst gemeint mit dem Verstehenwollen: Zusätzlich zu all den Botschafterpflichten, den Empfängen und bilateralen Gesprächen haben Sie beispielsweise in mehr als einhundert Townhall-Meetings erkundet, was deutsche Jugendliche umtreibt. Mindestens einmal die Woche waren Sie auf Reisen durch unsere sechzehn Bundesländer – und waren fasziniert von deren Unterschiedlichkeit. Und mehr als das ein oder andere Mal waren Sie auch im Fußballstadion, haben diesen – nicht unwichtigen – Teil der deutschen Seele erkundet und mit der Hertha gefiebert. Sie sind viel mehr geworden als der berühmte Deutschland-Versteher. Für mich waren und sind Sie ein expert by heart
!
Zu einer echten, belastbaren Freundschaft gehört es, auch in Zeiten einer etwas angespannteren Beziehung in einem von Gutwilligkeit geprägten Kontakt beieinander zu bleiben – sich einander zu erklären und sich eben nicht zurückzuziehen ins Schneckenhaus. Wir wissen beide aus unseren politischen Leben, wie wichtig es ist, in solchen Zeiten im Gespräch zu bleiben und den Wert der transatlantischen Partnerschaft hochzuhalten.
Als Botschafter haben Sie nach den Enthüllungen von Wikileaks eine Zeit der Abkühlung und Verstimmung in den deutsch-amerikanischen Beziehungen erlebt. Es war ein Glück für diese Freundschaft, Sie als hervorragenden und unermüdlichen Brückenbauer in jener Phase in Deutschland zu wissen.
Wie entscheidend belastbare Beziehungen und ein unerschütterliches Gerüst aus gemeinsamen Grundprinzipien sind, wenn es sich nicht nur um Verstimmungen, sondern um epochale Krisen handelt, das erleben wir derzeit. Gemeinsam stehen Deutschland, die europäischen Partner und die USA fest an der Seite der Ukraine, die auf unsere Solidarität und Unterstützung zählen kann, so lange es nötig ist.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine schweißt uns zusammen als transatlantische Partner, welche die Grundprinzipien von Freiheit, Demokratie und territorialer Selbstbestimmung teilen und verteidigen. Denn nicht allein auf die Ukraine, auch auf diese Prinzipien zielt der Aggressor.
In unseren beiden Ländern erleben wir, unter welch großem Druck die Demokratien stehen, Druck von außen, aber auch von innen. Autoritäre Kräfte haben ein Interesse daran, die demokratische Auseinandersetzung so weit zu polarisieren, dass kein Raum mehr ist für den Austausch von Argumenten – fürs Zuhören und Verstehenwollen, für Vernunft und Empathie –, so dass der Lautere, der Hasserfülltere sich durchsetzt. Es ist an uns, uns zu wehren gegen diesen Mechanismus, der Gewalt schürt und die demokratischen Institutionen schwächt. Gute Gegenmittel sind immer: Austausch, Begegnung, Bildung – und für alle drei haben Sie sich, lieber Phil, in Ihrem gesamten politischen Leben eingesetzt.
Auch als Gouverneur von New Jersey liegt Ihnen der wissenschaftliche, politische und auch der wirtschaftliche Austausch – auch mit Deutschland – am Herzen. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind in Ihrem Bundesstaat vertreten und beschäftigen hier um die 30.000 Mitarbeiter. Und Ihrer Initiative und Förderung ist es zu verdanken, dass das deutsche Modell der Dualen Ausbildung inzwischen hier Fuß gefasst hat und in einem gemeinsamen Programm der Montclair State University und der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer Fachkräfte ausgebildet werden. Es freut mich besonders, dass auch mehrere deutsche Unternehmen an diesem Ausbildungsprogramm beteiligt sind.
Schon in Ihrer ersten Amtszeit als Gouverneur haben Sie alles dafür getan, die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu unterstützen, sei es bei Gesprächen mit hochrangigen deutschen Besuchern aus Wirtschaft und Politik, sei es als Ansprechpartner für unsere diplomatischen Vertretungen. Wir sind froh und dankbar, Sie nach Ihrer Wiederwahl weiter an unserer Seite zu haben.
Einen verlässlicheren, kenntnisreicheren und charmanteren Partner als Sie kann sich Deutschland nicht wünschen. Wir ehren Sie heute für Ihr langjähriges, wirklich herausragendes Engagement für die transatlantischen Beziehungen. In Anerkennung Ihres Engagements für die deutsch-amerikanische Freundschaft ist Ihnen das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Ich bin stolz, es Ihnen heute aushändigen zu können, und danke Ihnen von Herzen für Ihre herausragende, beständige Zuneigung zu unserem Land: Herzlichen Dank!