Wandelkonzert zum 25-jährigen Bestehen der Bundesbegegnung Jugend jazzt

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 20. Januar 2023

Bundespräsident Steinmeier hat am 20. Januar zum 25-jährigen Bestehen der Bundesbegegnung Jugend jazzt zu einem Wandelkonzert in Schloss Bellevue eingeladen. In seiner Begrüßungsansprache sagte er: "Wie sehr Sie alle hier Jazz lieben, wie lebendig Jazz in der heutigen Musikwelt ist, das freut mich als Jazz-Liebhaber ganz besonders [...] Unfreiheit und Jazz schließen einander aus. Wer Jazz spielt, will frei sein."

Musikerinnen und Musiker spielen ein Stück beim  Wandelkonzert '25 Jahre Bundesbegegnung Jugend jazzt' in Schloss Bellevue

Programmatische Sätze scheinen Angelegenheit der Politik zu sein. Aber auch in der Kunst, in der Musik gibt es jene programmatischen Sätze, die klar sagen, wie die Dinge eigentlich sein sollten. Einer davon stammt von Duke Ellington, und gesungen wurde er unter anderem von Ella Fitzgerald, denn dieser Satz ist in Wahrheit ein Songtitel: It don’t mean a thing if it ain’t got that swing.

Ich bin sicher, liebe Musikerinnen und Musiker: Sie swingen, egal in welcher Form Sie zusammenspielen, und, ich freue mich darauf, wir werden es hier gleich im Konzert erleben.

Sie alle haben an der jüngsten Bundesbegegnung Jugend jazzt teilgenommen, die im vergangenen Jahr tatsächlich ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen feiern konnte. Der Wettbewerb ist zu einer wichtigen Bühne geworden, die es jungen Musikerinnen und Musikern möglich macht, einander zu begegnen, sich zu präsentieren und, ganz wichtig, Netzwerke aufzubauen, sich untereinander zu vernetzen. Wie sehr Sie alle hier Jazz lieben, wie lebendig Jazz in der heutigen Musikwelt ist, das freut mich als Jazz-Liebhaber ganz besonders.

Bewegt hat mich auch immer die politische Dimension des Jazz, es war ja von Anfang an eine emanzipatorische Musikbewegung. Der große deutsche Jazzkritiker Joachim-Ernst Berendt hat das wie kaum ein anderer beschrieben. Jazz, so Berendt, erzählt von Freiheit, Individualität und Gleichberechtigung. Und die politisch-gesellschaftliche Deutung des Jazz gipfelt bei Berendt in dem Satz, der direkt mit der von ihm erlebten Zeit der Nazidiktatur zu tun hat: Wer swingt, marschiert nicht. Klingt gut, stimmt aber nur zum Teil. Denn wir haben hier jeden Sommer die Big Band der Bundeswehr zu Gast – ich darf Ihnen wirklich versichern aus inzwischen eigener reicher Erfahrung: Diese Big Band, die eine fantastische ist, swingt auch in Uniform.

Aber recht hat Joachim-Ernst Berendt natürlich, wenn er sagen wollte: Unfreiheit und Jazz schließen einander aus. Wer Jazz spielt, will frei sein.

Frei sein, aber meistens nicht allein. Am liebsten Teil eines Ensembles. Jazzmusikerinnen und -musiker hören aufeinander, reagieren aufeinander, achten aufeinander. Sie leben ihre Freiheit in Gemeinsamkeit.

Das ist gut, kann aber gelegentlich auch anstrengend sein, wie wir von dem großen Miles Davis wissen: Sein ebenso großer Mitspieler im berühmten Miles-Davis-Quintett der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre, John Coltrane, neigte zu sehr langen Soli. Coltrane ging einmal zu seinem Bandleader Davis und sagte zu ihm: „Miles, ich weiß einfach nicht, wie ich meine Soli beenden soll – ich habe so viel zu sagen!“ Miles Davis soll ziemlich trocken und – passt zu ihm – wenig mitfühlend geantwortet haben: John, wenn du dein Solo beenden willst, nimm doch einfach dein Saxofon aus dem Mund.

Ihnen, liebe junge Musikerinnen und Musiker, will ich überhaupt nicht reinreden, aber ich halte mich selbstverständlich an den strengen Meister Miles Davis, denn was für Saxofonisten gilt, soll auch für Redner und Mikrofone gelten: Ich beende einfach meine Begrüßung. Sie sind gekommen, nicht um lange Reden zu hören, sondern um Jazz zu genießen.

Und wie Sie freue ich mich auf die Musik von Cactus in a Garage, der Funky Friends, von Quartertone und von Tim Pan Laurie, ich freue mich auf Ihre Kompositionen, Interpretationen und auf Ihre – gern auch längeren – Soli heute Abend.

Vielen Dank, dass Sie hier sind! Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!