Gedenkveranstaltung für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 20. Februar 2023

Bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien, veranstaltet von der Türkischen Gemeinde in Deutschland mit dem Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am 20. Februar in Berlin, hat Bundespräsident Steinmeier eine Ansprache gehalten: "Wir sind vereint im stillen Andenken an die Toten. Wir sind vereint in Trauer und Schmerz [...] Wir sind heute hier, um allen von der Katastrophe betroffenen Menschen zu zeigen: Wir stehen an Eurer Seite. Wir bleiben an Eurer Seite."

Bundespräsident Steinmeier hält eine Gedenkrede für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien am Brandenburger Tor in Berlin

Fast zwei Wochen ist es her, dass ein gewaltiges Erdbeben die Region an der türkisch-syrischen Grenze erschüttert hat. Fassungslos machen uns die Nachrichten aus den zerstörten Städten. Eingebrannt haben sich die Bilder in unser Gedächtnis. Eine Jahrhundertkatastrophe!

Das Grauen ist mit Worten kaum zu beschreiben. Mehr als 47.000 Menschen haben ihr Leben verloren. Zehntausende, die aus den Ruinen ihrer Häuser gerettet wurden, sind an Körper und Seele schwer verletzt. Unzählige sind immer noch verschüttet. Und es gibt kaum noch Hoffnung, sie lebend aus den Trümmern zu bergen.

Viele Überlebende stehen unter Schock, sind tief verzweifelt, wissen nicht weiter. Wissen nicht, was morgen ist. Wissen nicht, wer aus ihrer Familie noch lebt. Überall im Katastrophengebiet trauern Menschen, um Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Schwestern und Brüder. Überall gibt es Menschen, die ihr Zuhause und ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben. Manche sind in Zelten und Notquartieren untergekommen, andere müssen immer noch unter freiem Himmel schlafen, schutzlos der eisigen Kälte ausgeliefert, ohne Wasser und Strom, ohne warme Kleidung, ohne Lebensmittel, ohne medizinische Versorgung.

Trauer und Verzweiflung sind groß, und es gibt sie nicht nur dort! Auch hier in unserem Land leben viele Menschen, die Verwandte und Freunde verloren haben.

Wir sind heute Abend hier in Berlin zusammengekommen, um gemeinsam innezuhalten und der Opfer dieser verheerenden Katastrophe zu gedenken. Wir sind vereint im stillen Andenken an die Toten. Wir sind vereint in Trauer und Schmerz.

Unsere Gedanken sind bei den Überlebenden im Katastrophengebiet. Wir denken an Euch in Adana, in Gaziantep und in Urfa. An Euch in Malatya, in Kahramanmaraş, in Idlib, in Aleppo. An Euch alle in der Türkei und in Syrien, deren Städte und deren Lebensträume in Trümmern liegen. Wir sagen Euch: Wir sehen Euer Leid und Eure Not. Wir hören Eure Hilferufe. Wir lassen Euch nicht allein!

Wir denken heute Abend auch an die vielen Menschen in unserem Land, die Familienangehörige und Freunde in der Türkei und in Syrien haben. An all die Frauen und Männer hier in Berlin und in zahllosen anderen deutschen Städten und Gemeinden, die in den vergangenen Tagen gehofft, gebangt, gebetet und geweint haben. So viele vergeblich!

Euch allen will ich heute sagen: Viele Menschen in unserem Land nehmen Anteil auch an Eurer Trauer und Euren Sorgen. Euer Schmerz ist unser Schmerz.

Meine Damen und Herren, es ist eine Tragödie! Bilder und Berichte, Gesichter und Stimmen aus dem Erdbebengebiet berühren Menschen auf der ganzen Welt. Gerade in unserem Land erleben wir eine Welle der Hilfsbereitschaft, die mich wirklich dankbar macht.

Rettungsteams auch aus Deutschland bergen vor Ort verschüttete Menschen, versorgen Verletzte, bestatten Tote. Hilfsorganisationen wie das THW und viele andere sind dort, und viele freiwillige Helferinnen und Helfer sind auf eigene Faust in die Katastrophenregion gereist, um auf den Trümmerfeldern mit anzupacken. Überall in unserem Land sammeln Menschen Spenden und organisieren Hilfstransporte – in Kitas und Schulen, Büros und Werkhallen, Vereinen und Gemeinden. Viele Familien kümmern sich um Trauernde, spenden Trost und geben Halt.

All den vielen Menschen, die jetzt helfen, danke ich von ganzem Herzen. Eure Mitmenschlichkeit ist ein Licht in dieser dunklen Zeit! Euer Mitgefühl spendet Mut, Hoffnung und Zuversicht!

Im Nordwesten Syriens warten viele Menschen noch immer auf Hilfe. Es ist gut, dass die Vereinten Nationen nun dort vor Ort sind, dass sie sich Wege zu den Verschütteten bahnen, dass sie versuchen, Hilfslieferungen dorthin zu bringen, wo sie am meisten gebraucht werden. Aber ich appelliere heute insbesondere an die politische Führung in Syrien: Lassen Sie die Helferinnen und Helfer ihre lebensrettende Arbeit tun! Niemand hat das Recht, humanitäre Hilfe zu blockieren!

Uns ist klar: Die Menschen im Erdbebengebiet brauchen jetzt unsere Hilfe. Und sie werden sie auch in Zukunft weiterhin brauchen. Wer das Ausmaß der Zerstörung sieht, der ahnt, dass es lange dauern wird, bis die Überlebenden im Katastrophengebiet regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt werden.

Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität. Unsere Mitmenschlichkeit bleibt gefragt, auch dann, wenn die Bilder aus dem Erdbebengebiet längst von anderen Nachrichten verdrängt worden sind. Jeder kann helfen – die einen weniger, die anderen mehr. Die einen eher praktisch, die anderen eher, indem sie Geld spenden. Das Wichtige ist, dass wir es tun. Dass wir es gemeinsam tun. Dass wir sagen: Deutschland, unser gemeinsames Land, ist für Euch da!

Ich bin heute hier, wir sind heute hier, um allen von der Katastrophe betroffenen Menschen zu zeigen: Wir stehen an Eurer Seite. Wir bleiben an Eurer Seite.

Biz her zaman yanınızdayız.
Nabqa bi-janibikum.
Emê li cem we bin.