Festakt "900 Jahre Lippe und 50 Jahre Kreis Lippe"

Schwerpunktthema: Rede

Detmold, , 5. März 2023

Bundespräsident Steinmeier hat am 5. März im Detmolder Landestheater eine Rede beim Festakt "900 Jahre Lippe und 50 Jahre Kreis Lippe" gehalten: "Heute ist Ostwestfalen-Lippe eine prosperierende Region, in der es viele Marktführer gibt, mittelständische Unternehmen, die es auf ihrem Spezialgebiet, die es in ihren Branchen an die Weltspitze geschafft haben, mit modernster Technik und hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ja, Lippe kann überraschen."

Bundespräsident Steinmeier hält eine Rede beim Festakt '900 Jahre Lippe und 50 Jahre Kreis Lippe'

Wenn ich für die Einladung heute und hierher danke, dann ist das keine Floskel. Vor 60 Jahren, Herr Intendant, habe ich zum ersten Mal genau an diesem Ort, in diesem wunderbaren Theater gesessen. Damals natürlich nicht hier auf der Bühne, sondern irgendwo hinten im Parkett, in der Nachmittagsvorstellung, ich erinnere es genau, von Peterchens Mondfahrt.

Ich war damals i-Männchen – für die Jüngeren: Grundschüler –, unser Nachkriegslippe noch im Teenageralter. Hier in Detmold bin ich geboren, unterm Mörth im lippischen Südosten aufgewachsen, beim TuS 08 Brakelsiek habe ich Fußball gespielt, in Blomberg mein Abitur gemacht. Hier wohnen Freunde und Familie. Und von hier habe ich viel mitgenommen in ein Leben, das mich an andere Orte unseres Landes – und gelegentlich auch ein bisschen jenseits davon – gebracht hat.

Doch ich spüre immer wieder, wie sehr mich dieser hügelige lichte Landstrich bis heute geprägt hat. Und deshalb freue ich mich so sehr, heute mit Ihnen allen hier zu sein.

Wir schauen heute stolz auf das in Lippe Erreichte, auf wirtschaftlichen Wohlstand, auf vielfältige Kultur und Natur zurück. Aber wir wissen auch: Reich und wohlhabend war diese Region in den meisten seiner 900 Jahre nicht. Jahrhundertelang kostete es viel Anstrengung, etwas aufzubauen. Die Höfe waren klein, die Männer gingen den Sommer über ins Ruhrgebiet oder anderswo auf Ziegelei oder nach Norddeutschland zum Gras mähen.

Theodor Fontane schreibt von den treuen Lippern, die jedes Jahr wiederkamen, schreibt von ihrem Fleiß, vor allen Dingen aber von ihrer Not zu Hause. Und ich glaube, das alles zusammengenommen, das hat die Menschen hier geprägt, es erzog zur Bescheidenheit, zur Beharrlichkeit, auch dazu, die Dinge vom Ende her zu betrachten und nicht in Verzweiflung zu verfallen, wenn manche Dinge nicht sofort klappen. Und ich glaube, es schützt vor Selbstüberschätzung. Und wer sie kennt, die Lipper, der wird sagen: Ja, sie sind nüchtern. Ihre Sprache: ohne Girlanden, schnörkellos, geradezu lakonisch. Der Rheinländer, der auf die anteilnehmende Frage Wie geht’s denn? eine ausführliche Antwort erwartet, der wird enttäuscht. Da kann in Lippe die Lage noch so schwierig sein, der Lipper antwortet: Jau, nutzt ja nix!

Die Antwort mag knapp sein, aber sie sagt viel. Zum Beispiel: Die Skepsis der Lipper gegenüber jeder Form von Schwärmerei, ihre tiefe Abneigung gegen Aufschneiderei oder gar Prahlerei, zeigt viel von einer guten Portion Gelassenheit. Und so sind die Menschen eben hier zwischen Teutoburger Wald und Weserbergland. Und das ist meine Heimat, und hier fühle ich mich immer noch zu Hause, und das ist gut so.

Deshalb darf ich heute auf dieser Bühne auch irgendwie eine Doppelrolle einnehmen: Als Bundespräsident gratuliere ich Lippe im Namen der Bundesrepublik Deutschland zu seinen beiden Jubiläen. Und als Lipper freue ich mich einfach riesig, heute bei Ihnen und unter Ihnen zu sein!

Herzlichen Glückwunsch zu 900 Jahre Lippe und 50 Jahre Kreis Lippe!

Der Besuch hier im Lippischen ist für mich immer eine besondere Zeit an einem besonderen Ort, sozusagen Heimkehr auf Zeit. Das tut gut, das habe ich eben angedeutet, und es tut gut ganz besonders in diesen Zeiten. Denn wir leben in einer an Brüchen und Verwerfungen reichen Ausnahmezeit. Pandemie, Ukraine, Erdbeben: Wir spüren die Herausforderungen täglich. Und gerade in solchen Zeiten finde ich es ganz besonders wichtig, dass wir gemeinsam einen kurzen Blick auf die lippische Geschichte richten, aus der wir kommen. Weil: Zukunft braucht Herkunft, sagt man. Und deshalb sollten wir den Anlass nutzen, innezuhalten, uns auch bewusst zu machen, wie diese Region wurde, was sie ist – und was das alles vielleicht für die Zukunft bedeutet. Natürlich mit dem Ziel, dass wir aus dieser Geschichte auch ein bisschen Kraft für diese Zukunft schöpfen.

900 Jahre Lippe, das sind 795 Jahre Adels- und Fürstenherrschaft. Haben Sie keine Sorge, dass ich jetzt einen Durchgang durch die Jahrhunderte und alle dynastischen Verästelungen des Fürstenhauses Lippe unternehme. Es würde sich sicher lohnen, wie ich aus Begegnungen und Gesprächen mit Armin, Prinz zur Lippe, noch in guter Erinnerung habe. Aber auch ihm – und ich bin sicher: seinem Sohn – hätte eines gewiss am Herzen gelegen: Es war nämlich eine Fürstin Pauline, die nicht nur die Leibeigenschaft der Bauern hier in Lippe aufhob, sondern auch und vor allem durch ihr außerordentliches soziales Engagement im kollektiven Gedächtnis aller Lipperinnen und Lipper ihren Platz hat.

Sie gründete den ersten Kindergarten in Deutschland. Sie richtete Erwerbsschulen für – so sagte man damals – verwahrloste Kinder ein, sie gründete ein freiwilliges Arbeitshaus, eine Pflegeanstalt mit Krankenstube. In der historischen Erinnerung steht Fürstin Pauline bis heute als eine fürsorgliche Landesmutter, aber nicht nur das. Sondern eine, die zugleich die lippische Souveränität erfolgreich verteidigte, indem sie sehr intelligent, sehr geschickt changierend zwischen dem napoleonisch bestimmten Rheinbund auf der einen Seite und Preußen auf der anderen Seite agierte.

Und mit diesem Handeln – aufgeklärt, zupackend, fürsorglich – ist sie vielleicht eine der großen Identifikationsfiguren in der lippischen Geschichte.

Doch das 19. Jahrhundert, in dessen ersten zwei Jahrzehnten Fürstin Pauline wirkte, war zugleich so etwas wie ein kleiner Kosmos, in dem der Kampf und das Eintreten für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie gerade in dieser Zeit des Vormärz ebenso bedeutend war. Deshalb will ich heute auch an die mutigen Frauen und Männer aus dieser Zeit erinnern, die sich – damals schon – in Lippe für Freiheit und Demokratie engagiert haben. Ihre Geschichten führen uns vor Augen, dass es fortschrittliches Denken eben nicht nur in den großen Städten gab, sondern auch hier auf dem Land.

Christian Dietrich Grabbe, Ferdinand Freiligrath und Georg Weerth, die drei großen Söhne Detmolds oder Lippes, sind auch jenseits der lippischen Landesgrenze sehr bekannt. Viele andere, die im März 1848 im kleinen Fürstentum Lippe gegen Bevormundung und für bürgerliche Freiheiten stritten, Männer und Frauen wie Theodor Althaus, Malwida von Meysenbug, Karl Vette, Gustav Adolf Wolff oder Carl Volkhausen, sind nicht ganz so bekannt. Es sind die, die damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, Lesekreise gründeten, Volksvereine. Sie gaben in Lemgo die Zeitschrift „Die Wage“ heraus, klärten darüber auf, dass Hunger, Armut und Ungleichheit nicht gottgegeben waren; verbreiteten in ganz Lippe freiheitliche und demokratische Ideen; diskutierten Petitionen; forderten Pressefreiheit und mehr Rechte für den Landtag, planten einen Zug vor das Detmolder Schloss – und rangen am Ende dem Fürsten Zugeständnisse ab.

Auch wenn die Reaktion in allen deutschen Landen bald wieder die Oberhand gewann, auch wenn selbst hier in Lippe einige der Demokraten aus dem Staatsdienst entlassen, ins Gefängnis gesperrt, ins Exil vertrieben wurden: Die Ideen von 1848 – und in Kürze werden wir daran in einer besonderen Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche erinnern –, sie lebten auch im Fürstentum fort. Und sie lebten in der Novemberrevolution 1918 wieder auf, als auch hier in Lippe viele Frauen und Männer den Aufbruch in die Demokratie wagten. Es sind immer Menschen, die Geschichte auch im scheinbar Kleinen machen, sie gestalten und voranbringen!

Denken wir an einen Pastor wie Alexander Zeiß, der 1895 bereits die Gründung des christlichen Zieglervereins initiierte, mit nie nachlassender Beharrlichkeit an die dramatische soziale Lage der Wanderarbeiter erinnerte und dafür den Beinamen Ziegler-Pastor erwarb.

Hinzu kamen Sozialdemokraten wie Hermann Albert, Auguste Bracht, Clemens Becker und Heinrich Drake, Links- und Rechtsliberale wie Adolf Neumann-Hofer, Max Staercke und Clara Lüken. Sie richteten die erste freie und gleiche Landtagswahl in Lippe aus, an der endlich auch die Frauen teilnehmen konnten; sie gründeten den demokratisch verfassten Freistaat Lippe, damals ein Land der Weimarer Republik. Und sie sorgten im Parlament und im Landtagspräsidium dafür, dass Lippe bis 1933 demokratisch regiert wurde.

Wir sollten heute auch den jüdischen Lehrer und Prediger Abraham Plaut nicht vergessen, der schon im Kaiserreich zum Widerstand gegen die aufkommende Judenfeindlichkeit aufrief – und dessen Sohn, der Vortragskünstler Joseph Plaut, 1932 bei einem Auftritt hier in diesem Theater von lippischen Nazis beschimpft und mit Stinkbomben beworfen wurde, ehe er aus seiner Heimatstadt Detmold fliehen musste.

Auch an die liberalen Herausgeber der Lippischen Landeszeitung Neumann-Hofer und Staercke sei hier erinnert, die in der Weimarer Republik entschieden Stellung bezogen haben gegen antisemitische und antidemokratische Kräfte. Und an Felix Fechenbach, den Redakteur des Detmolder Volksblatts, der unermüdlich gegen Nazi-Aufmärsche in Lippe anschrieb und seinen Mut mit dem Leben bezahlte.

Nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus konnte Lippe an die demokratische Tradition in der Weimarer Republik anknüpfen. Dass Lippe nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach entweder in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen aufging, sondern von beiden Nachbarn umworben wurde, daran hatte eine weitere bedeutende Figur der lippischen Geschichte entscheidenden Anteil.

Es war Heinrich Drake, der sich nüchtern und überparteilich fragte, wo das Wohl Lippes wohl am besten aufgehoben sei. Die von ihm mit dem ersten nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rudolf Amelunxen ausgehandelten Punktationen, sie sind für diejenigen, die sich mit lippischer Geschichte ein bisschen auskennen, bis heute legendär! Das Wichtigste für Lippe war der vollständige ungeschmälerte Erhalt des Landesgebiets, zukünftig dann als Teil Nordrhein-Westfalens. Zweitens, nicht weniger wichtig, der Erhalt des lippischen Landesvermögens in einer eigenen Institution: des Landesverbandes Lippe. Und neben vielen anderen Dingen vielleicht als Drittes wichtig: Dass das Landeswappen Nordrhein-Westfalens eine lippische Rose schmückt, das zeigt bis heute die Bedeutung Lippes, die Drake damals auch optisch weitsichtig im Landeswappen verankern konnte – und damit ein großes Gespür eben auch für symbolische Gesten erwies.

Heinrich Drake kannten in meiner Jugendzeit in Lippe noch viele, heute nur noch wir Lebensälteren. Aber die Anekdoten, die rund um seine landestypisch großzügige Gastgeberrolle entstanden sind, diese Anekdoten sind unsterblich. Und da wir Rheinländer im Haus haben, will ich wenigstens zwei kurz erwähnen. Es waren schlechte Zeiten damals, 1946/47. Die Lebensmittel waren knapp, und so vereinbarte man: Immer dann, wenn Drake mit Amelunxen und Hinrich-Wilhelm Kopf, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten zusammentraf, sollte in diesen schlechten Zeiten jeder was zum Essen mitbringen. So war es dann auch: Amelunxen brachte einen westfälischen Schinken mit, Hinrich Kopf eine Oldenburger Mettwurst. Drake brachte seinen Bruder mit.

Die andere Anekdote kennen die meisten hier im Saal vielleicht auch, sie ist wesentlich kürzer, aber auch aussagekräftig. So sollen die Verhandlungspartner der Lipper nach stundenlangen Verhandlungen tatsächlich um eine Erfrischung gebeten haben, worauf Heinrich Drake wortlos aufgestanden ist und das Fenster aufmachte.

Worauf es mir ankommt. Selbst wenn die Anekdoten nicht stimmen, verweisen sie doch auf legendäre Eigenschaften der Lipper: ihre Sparsamkeit, ihre Bauernschläue und ihren trockenen Witz.

Jedenfalls ist es dem Landesvater Drake zu verdanken, dass Detmold Sitz des Regierungsbezirks und als Residenzstadt ein attraktiver Standort für Unternehmen, Kulturschaffende und Studierende und viele Bürgerinnen und Bürger wurde. Das Landestheater, wunderbar, in dem wir uns befinden, bietet nicht nur Detmoldern und Lippern hochklassiges Schauspiel, Oper und Operette. Es bringt Kultur auch in die benachbarten Regionen, die nicht mit einer solchen Einrichtung gesegnet sind. Und die Hochschule für Musik genießt auch international höchstes Renommee und unterstützt auch meine Veranstaltungen entweder in Bonn oder in Berlin immer wieder mit großer Gesangskunst.

Es ist den Lipperinnen und Lippern immer wieder gelungen, tiefgreifende Umbrüche zu meistern, ohne sich selbst dabei untreu zu werden. Traditionsbewusstsein und Mut zur Erneuerung, das ist das, was diesen besonderen Landkreis bis heute stark macht. Und dafür haben die Landesmutter Fürstin Pauline, ein Landesvater wie Drake und ebenso viele andere, die in unterschiedlichen Jahrhunderten lebten und wirkten, vor allem aber die Generationen von klugen, fleißigen und findungsreichen Menschen, dafür haben sie alle das Fundament gelegt.

Das war gut, und das bedeutete neuen Aufbruch in der Nachkriegszeit, aber in dieser Nachkriegszeit ging es auch nicht immer nur aufwärts. Wir hatten in Lippe unsere Stärken und nicht nur in der Landwirtschaft und bei den Zuckerrüben. Holzhandwerk war eine tragende Säule der lippischen Wirtschaft. Gefühlt war in meinem kleinen Dorf, in Brakelsiek, jeder zweite erwachsene Mann Tischler. Mein Vater auch. Zahllose Möbel- und Küchenhersteller, die weit über die Grenzen unserer Region hinaus bekannt waren, die waren hier in Lippe. Aber ich habe dann auch selbst miterlebt, wie die mittelständische Möbelindustrie in den 1980er Jahren zurückging, teilweise zusammenbrach, weil die Fertigung nach Osteuropa und später auch von Osteuropa weiter nach Asien wanderte. Auch viele lippische Hersteller mussten schließen oder wanderten ab, Orte schrumpften und Läden verschwanden.

Aber es zeichnet das Lipperland, seine Kraft und seine Beharrlichkeit eben aus, dass Sie sich hier immer wieder neue Entwicklungsmöglichkeiten erschlossen haben. Heute ist Ostwestfalen-Lippe eine prosperierende Region, in der es viele Marktführer gibt, mittelständische Unternehmen, die es auf ihrem Spezialgebiet, die es in ihren Branchen an die Weltspitze geschafft haben, mit modernster Technik und hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ja, Lippe kann überraschen. Und manchmal reibt die Welt sich die Augen: Vor einiger Zeit reihte uns der britische Economist, eine Zeitung, die nicht immer freundlich mit der deutschen Wirtschaft umgeht, die Region Ostwestfalen-Lippe als hidden champions top location ein. Übrigens auch deshalb, so ist da zu lesen, weil hier Wirtschaft und Wissenschaft in exemplarischer Weise vorbildhaft eng zusammenarbeiten. Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe genießt wegen ihrer Praxisnähe zu Unternehmen einen hervorragenden Ruf, der weit, weit, weit über die Grenzen Lippes hinausragt. Und daraus können Sie, können wir in den nächsten Jahren mit vielen Herausforderungen und vielen Veränderungen, die wir vor uns haben, daraus können wir noch ganz viel machen.

Auch die Gesellschaft des Lipperlandes hat sich verändert in diesen letzten Jahrzehnten. Als Kind habe ich hier noch den starken protestantischen Geist der Gegend wehen gespürt. Ich erinnere mich an wortstarke Pastoren und donnernde Predigten. Lippe, das war eine evangelisch-reformierte Trutzburg, umgeben von den katholischen Hochburgen Paderborn, Höxter und Münster. Die Kinder beim Übergang in weiterführende Schulen ins Katholische schicken, das war – auch wenn die Orte sehr viel näher dran waren – das war außerhalb unserer Vorstellungskraft. Und eine – geradezu ökumenische – Institution wie die Sparkasse Paderborn-Detmold wäre damals undenkbar gewesen. Vieles ist heute anders, vor allem ist es entspannter, und gerade darin, finde ich, sollten wir einen Vorteil sehen.

Und Lippe bleibt so einzigartig wie viele Regionen Deutschlands, die über ihre Schätze und Sehenswürdigkeiten verfügen: das Hermannsdenkmal, die Externsteine, die wunderbaren Schlösser, Bauten und Zeugnisse der Weser-Renaissance, die wir hier finden.

Und die lippische Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren auch vielfältiger, toleranter und weltoffener geworden, wie die deutsche Gesellschaft insgesamt. Ich bin überzeugt: Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, das gehört nicht nur zusammen, sondern das sind Seiten einer Medaille. Wer fest in seiner Heimat verwurzelt ist, der hat Vertrauen in sich selbst und auch in andere. Und der hat auch den Mut, sich auf Neues einzulassen und die Dinge zum Besseren zu verändern. Dass die Lipper in ihrer Geschichte Zuwanderung erlebt und gemeistert haben, das haben sie schon im und nach dem Zweiten Weltkrieg in beeindruckender Weise bewiesen, und, Herr Ministerpräsident, Sie haben eben weitere Zeugnisse aus den heutigen Tagen hinzugefügt.

Dass Lippe sogar eine eigene kulinarische Tradition begründet hat, zum Beispiel den Lippischen Pickert, das spricht, denke ich, für sich. Die lippischen Gastwirte tragen die Tradition nach ganz Deutschland, sogar bis in den deutschen Bundestag. Ich erinnere mich: Parteiübergreifend wurde bei einem Parlamentarischen Abend im Bundestag – der allerdings jetzt ein paar Jahre zurückliegt – die lippische Gastronomie, unsere bodenständige Küche gerühmt. Und sie wurde vermutlich auch gerühmt, weil die Erzeugnisse lippischer Braukunst oder ein lippischer Wacholder an diesem Abend immer in Reichweite waren.

Dass das Miteinander der Verschiedenen gelingt, das ist nicht zuletzt den vielen Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die sich hier in Lippe ehrenamtlich für das Gemeinwesen einsetzen. All denen, die für andere Menschen da sind, für eine gute Zukunft sorgen – in kommunalen Parlamenten und Wohlfahrtsverbänden, im Sportverein und bei den Schützen, in Chören und Spielmannszügen, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder im Technischen Hilfswerk, in Kirchen und Religionsgemeinschaften, in der Heimatpflege oder im Klima- und Naturschutz – denen sagen wir heute aus dieser Veranstaltung heraus ganz, ganz herzlichen Dank!

Wir sagen danke, aber ich weiß natürlich auch: Vielen Vereinen und Institutionen fällt es heute schwer, Ehrenämter neu zu besetzen, auch hier in Lippe. Das hat natürlich viel mit unserer alternden Gesellschaft zu tun und ist ein drängendes Problem, gerade in einer Zeit, in der wir eigentlich mehr Engagement brauchen, um das zu stärken, was uns verbindet!

Ich wünsche mir, dass sich noch mehr Menschen fragen, was sie für unser Gemeinwesen tun können und tun wollen – hier in Detmold, in Lippe, in unserem ganzen Land. Wie es gelingen kann, Gemeinsinn und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft noch besser zu fördern. Die Debatte darüber hat gerade erst wieder neu begonnen. Und sie sollte auch in Lippe stattfinden: In dieser Region, an dieser an Natur- und Kulturschätzen, an Museen, Sehenswürdigkeiten und Erholungseinrichtungen so reichen Landschaft. Die über eine Hansestadt Lemgo verfügt, über bedeutende Heilbäder, eine liebenswerte Malerstadt Schwalenberg und viele andere schöne Orte und Plätze.

Mein Dank gilt heute allen, die mithelfen, den Kreis Lippe immer wieder neu zu erfinden, ihn als lebenswerte Region zu erhalten – als Landkreis mit Zukunft. Mein Dank gilt allen, die dazu beitragen, dass Menschen sich in Städten und Dörfern gut aufgehoben fühlen und sie als Heimat empfinden – ganz egal, woher sie kommen, woran sie glauben und wen sie lieben. Die wissen, dass Heimat immer auch persönliche Zukunft bedeutet. Sie alle, die vor Ort mit anpacken, stärken die Wurzeln unserer Demokratie. Und deshalb ist dieser Festakt ein Festakt für Sie und von Ihnen allen! Meinen herzlichen Dank für Ihren Einsatz, für Ihr Engagement!

900 Jahre Land Lippe, 50 Jahre Kreis Lippe: Das Wir-Gefühl der Lipperinnen und Lipper, das in der langen Geschichte dieser Region gewachsen ist, dieses Wir-Gefühl gibt heute vielen Menschen hier Kraft, Halt und Orientierung. Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass die lippische Rose auch in Zukunft blüht und gedeiht.