Festakt zur Wiedereröffnung des Theodor-Heuss-Hauses

Schwerpunktthema: Rede

Stuttgart, , 15. Mai 2023

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 15. Mai beim Festakt zur Wiedereröffnung des Theodor-Heuss-Hauses im Stuttgarter Rathaus eine Rede gehalten. Er sagte: "Schweigen zu brechen, ist auch eine Befreiung. Denn es ist immer auch eine Einladung an andere. Es macht anderen oft das Sprechen überhaupt erst möglich. [...] Dieses Sprechen über die jüngste Vergangenheit war die Grundvoraussetzung dafür, die Glaubwürdigkeit der jungen Bundesrepublik zu stärken."

Bundespräsident Steinmeier hält anlässlich der Wiedereröffnung des Theodor-Heuss-Hauses eine Rede im Stuttgarter Rathaus

Wer von Ihnen bereits – das werden nicht viele sein – die neue Ausstellung im Wohnhaus von Theodor Heuss sehen konnte, hatte schon geradezu beim Eintreten einen demokratischen Aha-Moment: Gleich zu Beginn des Rundgangs schaut jede Besucherin, schaut jeder Besucher auf einen Monitor und sieht, wie sich ein Publikum erhebt. Man wird begrüßt und angekündigt, als sei man der Bundespräsident – mitsamt Applaus. Und was soll ich sagen: Irgendwie kam mir diese Situation bekannt vor.

Vor allem aber dachte ich in diesem Moment: Wenn Theodor Heuss diese Installation gesehen hätte, ich bin mir sicher, sie hätte ihm gefallen. Zeigt sie doch, dass jede Bürgerin und jeder Bürger – sofern sie oder er schon vierzig ist – in unserem Land zum Staatsoberhaupt gewählt werden kann. Ob Bundesbürger oder Bundespräsident: Nur mit ihren Bürgern kann die Demokratie mit ihren Institutionen bestehen. Sie kann nur existieren, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger sich an ihr beteiligen, wenn sie die demokratischen Werte zu ihren eigenen machen, deren Kern im Zweifel verteidigen und Fehlentwicklungen kritisieren – kurz: sie mit Leben erfüllen. Das ist eine Aufgabe, die nicht aufhört, aber nicht nur eine Aufgabe. Sie ist eine Chance, die jede und jeder in diesem Land jeden Tag neu hat.

Gleich zu Beginn der Ausstellung wird also, für mich jedenfalls, das Herzstück von Heuss‘ Demokratieverständnis deutlich. Und so passt dieser Auftakt wunderbar zum Titel der neuen Ausstellung, die ich sehr, sehr gelungen finde: Demokratie als Lebensform. Ich freue mich, dass ich diese Dauerausstellung heute mit Ihnen eröffnen konnte. Ich gratuliere Ihnen von Herzen zur Konzeption und Gestaltung und wünsche dem Haus nicht nur viele, sondern vor allen Dingen viele junge Besucherinnen und Besucher! Herzlichen Glückwunsch dazu!

Dass Theodor Heuss es mit seiner Art Staatsverständnis sehr ernst meinte, konnte man dem Häusle im Feuerbacher Weg schon immer ansehen. Dort steht, zwischen Villen, ein Anti-Palast – vom Spitzgiebel bis zum taubenblauen Wohnzimmersessel ist es das Zuhause eines Menschen, der die Demokratie eben nicht allein als Herrschaftsform begriff.

Wir hatten, das kann man gar nicht überschätzen, als junge Republik nach dem Horror des Nationalsozialismus und dem Zivilisationsbruch der Shoah großes Glück mit diesem ersten Bundespräsidenten. Denn Theodor Heuss prägte nicht nur die Traditionen unseres Staatsoberhauptes, sondern auch den Start unserer jungen Demokratie.

In jenen Jahren stand alles auf Anfang – es war ein schwerer Anfang. Einer mit gesenktem Haupt, und einer, zu dem bei Vielen stark der Wunsch nach Verdrängung, nach Verleugnung, nach Vergessen gehörte. Heuss wusste: Soll ein Anfang gelingen, darf dieses Verdrängen eben nicht gelingen.

Es war ein Anfang in einem Land, das sich in der Demokratie neu zurechtfinden musste. Sämtliche staatlichen Rituale waren durch die NS-Diktatur kontaminiert. Und die Menschen mussten sich ihrer Freiheitsrechte und ihrer Verantwortung als mündige Bürger überhaupt erst bewusst werden. Heuss hatte das schon Jahre zuvor verstanden. Man kann es nachlesen in seiner berühmt gewordenen Rede zum 18. März 1946 – Um Deutschlands Zukunft –, in der er sagte, die Deutschen müssten bei dem Wort Demokratie ganz vorn anfangen mit dem Buchstabieren.

Auch er selbst musste vorn anfangen, zumindest als Bundespräsident. Er musste sein Amt gestalten, das Paragraphengespinst, wie er es nannte. Schritt für Schritt entwickelte er ein Gefüge der staatlichen Repräsentation. Das fing mit der Frage an, wessen man gedenkt, und ging weiter mit der Frage, wen man ehrt und wofür. Vor allem aber musste der Bundespräsident eine Sprache finden, eine Form der Ansprache an die Menschen in dieser schwierigen Zeit. Das Instrument der Rede war vom Propagandaapparat der Nationalsozialisten komplett missbraucht und damit für den Redner wie für die Zuhörer völlig diskreditiert worden.

Aber Heuss wusste auch: Ohne die Rede ist die Demokratie nicht denkbar. Er war ein leidenschaftlicher Redner seit Abituriententagen – auch wenn er, wie ich gehört habe, damals zu seinem Leidwesen nicht die Abiturrede an seinem Gymnasium halten durfte. In der Ausstellung konnte ich vorhin die Kladde bewundern, in der Theodor Heuss alle seine Redeanlässe notiert hat. Es waren schon mehr als tausend, bevor er Bundespräsident wurde.

Wenn man heute Tonaufnahmen des Präsidenten Heuss hört, dann wirkt sein ruhiges, manchmal fast zögerliches, oft dialogisches Sprechen wie das demonstrative Gegenprogramm zu all dem Geschrei und Gehetze der Wortschwalldemagogen, wie Heuss selbst die Redner in der NS-Diktatur nannte.

Heuss hat das Instrument der Rede von allen propagandistischen Elementen befreit. Er hat sie mit einem Ton der Ruhe und des Mutmachens versehen, einem Ton, der Theodor Adorno posthum zu der Beschreibung veranlasste, Heuss stehe für die Idee des Bürgers in einer Welt, in der man sich nicht zu fürchten brauchte. Das war damals sehr viel.

Was Heuss mit seinem Sprechen erreichen wollte, das fasste er kurz nach seiner Wahl mit dem schönen Begriff der Entkrampfung zusammen: Die Rede als eine Art von Therapie, wie er selbst es nannte, um die junge Demokratie überhaupt ins Laufen zu bringen: Um Ehrlichkeit und Zuversicht in den Köpfen – und Herzen – der Menschen zu verankern.

Heuss hatte den Mut, gegen große Widerstände in der Bevölkerung das Schweigen über die Gräueltaten der Deutschen zu brechen. Er brach dieses Schweigen schon sehr früh, aber vor allem in einer seiner wohl wichtigsten Reden, 1952, bei der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen. Sein Satz: Wir haben von den Dingen gewusst war damals für viele eine Provokation. Für ihn, aber nicht nur für ihn, für uns alle war es der Beginn des einzig richtigen, langen Weges der Aufarbeitung.

Schweigen zu brechen, ist auch eine Befreiung. Denn es ist immer auch eine Einladung an andere. Es macht anderen oft das Sprechen überhaupt erst möglich.

Und so war es. Dieses Sprechen über die jüngste Vergangenheit, das war die Grundvoraussetzung dafür, die Glaubwürdigkeit der jungen Bundesrepublik zu stärken. Und so wuchs dann im Land und außerhalb auch langsam die Zuversicht in die Belastbarkeit dieser damals noch jungen Demokratie.

Heuss sprach damals eine Bevölkerung an, in der viele gar nicht unbedingt überzeugt waren von der Demokratie. So nutzte er die Möglichkeit der Rede, um den Bürgerinnen und Bürgern dieses neue, freie, solidarische Gemeinwesen zu erklären. Ja, mehr noch: Er wollte die Bürger mit der Demokratie befassen.

Wenn ich das so sage, dann klingt das alles nach einem guten Stück Geschichte, irgendwo verortet, weit weg in der Nachkriegszeit. Aber ist es das auch? Liegt nicht eher die Frage nahe: Wie können wir eigentlich das, was Theodor Heuss damals gelang, heute schaffen?

Sich das immer wieder – und ganz besonders zurzeit – zu fragen, halte ich für dringend notwendig. Denn erstens bleibt die Demokratie eine Daueraufgabe. Sie ist ein nie fertiges Gebilde. Wenn Sie so wollen, immer im Werden. Zweitens haben wir es heute mit einer Situation zu tun, in der die Demokratien von innen und von außen angegriffen werden. Und drittens können wir die dringende Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, nur gemeinsam in einer Demokratie verhandeln.

Wir sehen uns seit gut einem Jahr mit dem russischen Angriffskrieg auf ein europäisches Land, auf die Ukraine, konfrontiert; mit dem brutalen Versuch eines totalitären Regimes, die eigenen geopolitischen Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen. Wir erleben, wie weltweit die Sehnsucht nach starker Führung und auch nach Abschottung beunruhigend wächst.

Aber nicht nur im Ausland, auch bei uns im Inland sinkt das Vertrauen messbar in die demokratischen Institutionen; werden antidemokratische Positionen bis hin in die Mitte der Gesellschaft stärker; wird verantwortungslos von der Demokratie als System geredet, von Gleichschaltung, von Unterdrückung der angeblich wahren Volksmeinung. Und wir erleben – was genauso gefährlich ist – einen Rückzug in Teilen dieser Mitte oder jedenfalls erleben wir viel zu viel Gleichgültigkeit aus meiner Sicht. Die Wahlbeteiligung ist immer häufiger besorgniserregend niedrig und die Bereitschaft zum langfristigen ehrenamtlichen Engagement gerade in der Kommunalpolitik nimmt in manchen Regionen unseres Landes beunruhigend ab.

Und immer häufiger verschwindet neuerdings der demokratische Dialog hinter der Mauer von behaupteten Identitäten. Aber eine demokratische Gesellschaft kann nie ein Nebeneinander von abgeschotteten Identitäten sein. Demokratie ist das Miteinander der Verschiedenen, das selbstbewusste, offene Miteinander freier Bürgerinnen und Bürger. Die Demokratie gewährleistet gleiche Rechte. Gleiche Rechte auch für diejenigen, die gesellschaftlich in der Minderheit oder mindestens noch in der Minderheit sind. Aber Demokratie ist überfordert, wenn die einschränkungslose Wahrung und Garantie von Identitäten und Teilidentitäten zum alleinigen Maßstab gemacht wird. Über Rechte kann man streiten. Über Identitäten nicht oder jedenfalls nur sehr schwer. In anderen Worten: Die Vielzahl von Gründen, der Demokratie das Vertrauen zu entziehen, das besorgt mich. Wir brauchen das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie, auch in die demokratischen Institutionen und auch in die Repräsentanten der demokratischen Institutionen. Wir brauchen es gerade jetzt so dringend: Unser Land, unsere Gesellschaft steht nämlich vor tiefgreifenden Veränderungen, die wir gestalten müssen – und, ich bin überzeugt und werbe dafür –, auch gestalten können. Aber dazu braucht es in allererster Hinsicht Vertrauen. Vertrauen nicht nur in andere, sondern – auch das wünschte ich mir manchmal – mehr Vertrauen in uns selbst.

Wie also bringen wir den demokratischen Dialog wieder in Gang? In einer Zeit, in der viele Menschen sich lieber in ihre eigene Blase in den sozialen Medien zurückziehen? In der man täglich beim Blick auf Youtube oder Instagram zigmal ein Thema serviert bekommt, dass man sich nicht selbst ausgesucht hat, sondern ein Algorithmus? Ein Algorithmus, der vor allem auf Empörung setzt? Ein Algorithmus, der der Wutrede Aufmerksamkeit beschert, die abgewogene, rationale, vernünftige Meinung aber wie Blei in die mediale Irrelevanz sinken lässt.

Was wir sowohl der Sprachlosigkeit als auch der Polarisierung entgegensetzen müssen, das ist keine Frage von heute oder morgen. Das ist nicht schnell getan. Es ist mühsame Kleinarbeit vieler Menschen in ihrem Alltag. Wir brauchen Begegnung, Wissen und Information, aber auch Mut und Ruhe zum zivilisierten Streit. Wir brauchen Zivilcourage, wenn Grenzen überschritten werden. Zum Kern der Demokratie, dem Streit um die beste Lösung, gehört die grundsätzliche Gutwilligkeit im Umgang mit dem Gegenüber. Oder wie Theodor Heuss sagte: Die Anerkennung eines freien Menschentums, das auch im Gegner den Partner sieht, den Mitspieler.

Eine Rede, die in diesem Sinne mehr ist als nur eine Aneinanderreihung von Behauptungen, die einen Gedankengang nachvollzieht. Eine solche Rede lädt zum Austausch ein. Sie bietet ein Thema an. Erläutert eine Position. Setzt den richtigen Ton. Und den brauchen wir. Denn in der Demokratie entscheidet nicht das Machtwort. In einer Demokratie bedürfen Entscheidungen der Zustimmung, es gilt der Respekt vor der Mehrheitsentscheidung und der Verantwortung der Mehrheit für das Wohlergehen von Minderheiten. Das gilt vermutlich nicht nur im Parlament, sondern auch im täglichen Miteinander – im Jugendhaus, in der Eigentümerversammlung, im Beirat des Pflegeheims, zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, in der Schule, und vielleicht sogar in der Familie.

Wer sich darin einig ist, die Demokratie für grundsätzlich tauglich zu halten, der kann sich auch durchaus scharf in der Sache streiten. Es ist nichts dagegen zu sagen zum Beispiel in der parlamentarischen Debatte zuzuspitzen. Aber wer dem Gegner in der politischen Auseinandersetzung zwischen den Parteien pauschal jede Fähigkeit abspricht und Hassreden hält, wer dem täglichen demokratischen Bemühen in den Parlamenten einfach nur populistisch scheinbar einfache Wahrheiten gegenüberhält, der nagt damit an der Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt.

Und wir brauchen für unseren demokratischen Diskurs Wortmeldungen aus allen Teilen der Gesellschaft: In der Pandemie haben wir erlebt, dass Wissenschaftler sich in diesem Diskurs zu Wort meldeten – so wie sie es jetzt und schon seit Längerem in der Debatte darüber tun, wie wir unser Land angesichts des Klimawandels verändern müssen. Dafür bin ich dankbar! Aber auch diese Experten tun das inzwischen oft unter großen persönlichen Einbußen – bis hin zur Bedrohung.

Gegen diesen Druck müssen wir Demokraten zusammenhalten. Wer sich einbringt, wer mitmacht und sich einsetzt, braucht unsere Rückendeckung. Das gilt ganz besonders für die Kommunalpolitiker und die vielen Ehrenamtlichen unter ihnen, ohne die Demokratie nicht funktioniert. Wenn wir das nicht schützen, wenn wir da nicht Rückendeckung leisten, dann wird die Demokratie von unten austrocknen. Das darf nicht sein. Diese Rückendeckung brauchen auch Lehrerinnen und Lehrer, die an ihren Schulen auf Missstände aufmerksam machen; für die Pflegekräfte, die auf Mängel hinweisen und viele andere mehr.

Und es gilt, bei allen Differenzen, auch für die jungen Leute, die sich noch mehr Aufmerksamkeit für den Klimaschutz wünschen. So gut – und so wichtig – der entschlossene Kampf gegen den Klimawandel ist: Wir dürfen das Ringen um den besten Weg bei alledem nicht schlechtreden. Unsere Demokratie, unsere liberale Gesellschaft, lebt eben vom gegenseitigen Zuhören, vom aufeinander Achtgeben, auch vom Kompromiss. Und gerade in dieser Zeit der Umbrüche und Veränderungen gilt das, was Theodor Heuss uns allen aufgetragen hat: Wir debattieren anhand von Argumenten – und wir sind immer am Gelingen interessiert. Das ist nämlich Demokratie als Lebensform.

Ich persönlich habe mir in meiner zweiten Amtszeit vorgenommen, viel dafür zu tun, dass die Menschen wieder miteinander ins Gespräch kommen. Regelmäßig, das haben Sie vielleicht schon gesehen oder gelesen, verlege ich für mehrere Tage meinen Amtssitz an einen anderen Ort. Nicht in Berlin, sondern vor knapp einem Jahr habe ich in Altenburg in Thüringen begonnen. Bin dann über Quedlinburg, Neustrelitz, Freiberg, Völklingen auch drei Tage in Rottweil hier in Baden-Württemberg gewesen – auf Spurensuche. Ich bin tief eingetaucht in die örtlichen Debatten. Und deshalb haben wir diese Reisen Ortszeit getauft. Und das Wort Zeit, das ist darin das Entscheidende.

Gerade komme ich aus Senftenberg in der Lausitz zurück. In vielen unterschiedlichen Formaten haben wir dort drei Tage lang über die wirklich für die Menschen schwierige Frage gesprochen, was Strukturwandel eigentlich in einer Region bedeutet, die seit mehr als 130 Jahren von der Kohle dort lebt. Was Strukturwandel bedeutet, welche Ängste, welche Verunsicherungen hier auftauchen, warum Zuversicht so schwer ist, wenn das Alte immer schneller verschwindet als das neue kommt. Jugendliche haben mir bei einem Spaziergang ihre Sicht auf Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat erzählt und vieles andere mehr. Ich bin jedenfalls auch von dieser Ortszeit wieder mit viel Stoff zum Nachdenken nach Berlin zurückgekehrt.

Ich bin ganz sicher, dass mir das gleich hier im Saal nebenan nicht anders gehen wird. Denn dort treffe ich mich mit den Schülerinnen und Schülern des Quenstedt-Gymnasiums aus Mössingen, die ich auch hier im Publikum sehe. Ihr Lehrer hat ihnen in einer Oberstufen-Klausur aufgegeben, Teile meiner Grundsatzrede vom 28. Oktober vergangenen Jahres zu analysieren, in deren Mittelpunkt natürlich der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit all seiner Brutalität und Verantwortungslosigkeit stand. Ich kann nur erahnen, wie schwer es sein muss, einen mitten in Europa tobenden Krieg im Unterricht zu behandeln, weil dieses Thema natürlich auch Angst macht. Weil uns keine Gabe gegeben ist vorauszusehen, wie sich ein solcher Krieg entwickelt. Aber ich bin vor allen Dingen gespannt, gleich zu hören, was sich diese Schülerinnen und Schüler von der Politik – und von politischen Reden, die in der Politik gehalten werden – wünschen.

Ich möchte nicht schließen, ohne zwei Zitate miteinander zu verbinden. Es liegt eine ganz lange Zeitspanne zwischen beiden Zitaten, und trotzdem passen sie gut zueinander.

Das eine stammt aus einer Rede von Theodor Heuss zur Kulturpolitik, und ich jedenfalls lese es als Ansporn, sich immer wieder einzubringen. Es lautet: Man muss das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem.

Das andere Zitat stammt von einem jungen sächsischen Studenten, Jakob Springfeld, der vor drei Jahren für sein Engagement gegen Rechtsextremismus mit der Heuss-Medaille ausgezeichnet wurde. Es ist leider von bestürzender Aktualität gerade in diesen Tagen, in denen ein Lehrer in einem Brandbrief an die Landesregierung um Hilfe gegen rechtsextreme Umtriebe in seiner Schule bittet und eine Schulklasse auf Reisen von Vermummten überfallen und rassistisch beleidigt wird. Das Zitat ist, wenn man so will, Heuss für heute. Und es lautet: Die Zivilgesellschaft zerbricht, wenn wir die Klappe halten.