Ein freundliches Wort, sagt man, erwärmt den kältesten Winter. Wie wahr das ist, haben meine Frau und ich seit unserer Ankunft hier in Ulan Bator erfahren. Wir danken Ihnen für den farbenfrohen, wohlklingenden, warmherzigen Empfang in Ihrem wunderschönen Land.
Dass wir Sie in diesen Tagen besuchen, hat einen historischen Grund. Vor fünfzig Jahren, am 31. Januar 1974 nahmen die Bundesrepublik Deutschland und die Mongolei diplomatische Beziehungen auf. Heute blicken wir zurück auf ein halbes Jahrhundert, in dem die deutsch-mongolische Partnerschaft zur Freundschaft reifen konnte. Und wir blicken voraus in eine Zukunft, in der wir noch enger zusammenarbeiten wollen.
Ich weiß, Sie haben wegen des deutsch-mongolischen Jubiläums sogar mit der diplomatischen Tradition Ihres Landes gebrochen, Staatsgäste nur im Sommer zu empfangen. Und dann empfangen Sie uns auch noch kurz vor Ihrem Neujahrsfest Tsagaan Sar, auf das sich in diesen Tagen die ganze Mongolei vorbereitet!
Meine Frau und ich, wir empfinden es als große Ehre, dass wir gerade jetzt bei Ihnen sein dürfen. Für mich persönlich ist dieser Staatsbesuch etwas ganz Besonderes. Ich war vor zehn Jahren schon einmal bei Ihnen zu Gast, damals noch als Außenminister. Wir haben gemeinsam Naadam gefeiert, und Sie haben mir ein kostbares Geschenk gemacht – ein mongolisches Pferd. Ich bin sehr gespannt zu hören, wie es "Donnernde Hufe" inzwischen geht und ob er sich noch an mich erinnert!
Vor fünfzig Jahren teilte der Ost-West-Konflikt die Welt, auch Deutschland war geteilt, die Mongolei gehörte zum Machtbereich der Sowjetunion. Aber schon damals gingen die Regierungen unserer Staaten einen Schritt aufeinander zu. Fünfundzwanzig Jahre später waren es die Menschen in der DDR und in vielen anderen Ländern des damaligen Ostblocks, die sich friedlich Freiheit und Selbstbestimmung erkämpften. Deutschland ist seither wieder vereint, und auch in Ihrem Land begann damals der große Aufbruch hin zur Demokratie.
Seitdem sind unsere Beziehungen noch enger und vielfältiger geworden, nicht zuletzt wegen der vielen persönlichen Kontakte aus DDR-Zeiten. Auch diesen Verbindungen ist es zu verdanken, dass heute so viele Mongolinnen und Mongolen Deutschkenntnisse haben oder Deutsch in der Schule lernen, dass deutsche und mongolische Hochschulen und Wissenschaftler so eng zusammenarbeiten.
Schon seit vielen Jahren graben mongolische und deutsche Forscherinnen und Forscher gemeinsam nach Überresten der alten Hauptstadt des Mongolenreichs, Karakorum. Heute haben wir vereinbart, dieses schöne Projekt fortzusetzen. Ich bin gespannt auf die Fundstücke, die ich morgen im Dschingis-Khan-Nationalmuseum sehen werde – und ich freue mich, dass einige dieser Kostbarkeiten bald auch in Deutschland gezeigt werden, in einer großen Dschingis-Khan-Ausstellung 2026 und 2027 in Berlin und in Bonn, für die wir heute gemeinsam den Startschuss gegeben haben.
Unser Besuch fällt in eine Zeit, in der unsere Länder vor großen wirtschaftlichen, ökologischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen stehen. Ich bin überzeugt: Demokratien wie Deutschland und die Mongolei müssen jetzt noch enger zusammenarbeiten, um Freiheit und Menschenrechte zu verteidigen, die Herrschaft des Rechts zu stärken, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, neuen Wohlstand zu erwirtschaften und ihn dann auch möglichst gerecht zu verteilen.
Deutschland ist fest entschlossen, sich mit der Mongolei und anderen Partnern in Asien und im Indopazifik noch stärker zu vernetzen, nicht zuletzt, um weniger verwundbar zu sein. Wir sind deshalb froh, dass Sie uns seit einiger Zeit zu Ihren Drittnachbarn zählen. Es ist wichtig, dass unsere Regierungen vereinbart haben, unsere Beziehungen auszuweiten und zu vertiefen, und ich freue mich, dass wir heute eine strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und der Mongolei vereinbart haben.
Zu einem Jubiläum gehören natürlich Geschenke. Ich habe Ihnen heute unter anderem diese Schachtel hier mitgebracht. Sie sieht unscheinbar aus, enthält aber eine wunderbare Geschichte der deutsch-mongolischen Freundschaft, die nicht fünfzig, sondern fast hundert Jahre alt ist.
Es ist die Geschichte von 35 Schülern und Schülerinnen aus Ulan Bator, die im Mai 1926 über Moskau, St. Petersburg und Stettin nach Berlin reisten. Sie kamen abseits des Großstadttrubels in einem ehemaligen Erholungsheim unter, lernten Deutsch und sollten nach einer Weile, so der Wunsch auf mongolischer Seite, die Odenwaldschule besuchen, ein Handwerk erlernen oder auf einen akademischen Beruf vorbereitet werden. Einige erlangten später große Bekanntheit – unter den Austauschschülern war zum Beispiel Natsagdordsch, der als Begründer der modernen mongolischen Literatur gilt.
Es sind solche Begegnungen, die Verständigung und Vertrauen wachsen lassen, damals wie heute. Galsan Tschinag hat diese Hoffnung auf Verständigung einmal in sehr schöne Worte gekleidet. Er schreibt: Ich weiß, verschiedene Linien führen zu allen Menschen. Noch weiß ich nicht, welche Fäden von mir zu dir laufen. Aber wenn ich rede, wenn du redest, wenn wir unsere Worte zusammenrücken, unsere Erfahrungen zusammenlegen und nachforschen, dann werden wir es wissen.
Möge die Partnerschaft zwischen unseren Ländern weiterhin gedeihen und neue Horizonte für Zusammenarbeit und Verständigung eröffnen! Ich erhebe mein Glas auf den Frieden, auf die Freiheit – und auf die deutsch-mongolische Freundschaft: German-Mongolyn Naramdlyn Tuluu!