Preisverleihung des 11. Schulwettbewerbs zur Entwicklungspolitik "Alle für EINE WELT für alle“

Schwerpunktthema: Rede

Berlin, , 18. Juni 2024

Bundespräsident Steinmeier hat am 18. Juni die Gewinnerinnen und Gewinner des Schulwettbewerbs zur Entwicklungspolitik ausgezeichnet. "Ihr macht Mut, Ihr weckt Begeisterung, Ihr seid die Veränderung", lobte er das Engagement der Schülerinnen und Schüler bei der Preisverleihung.

Preisverleihungen sind immer eine aufregende Sache, nicht nur, wenn es um den Oscar geht oder die Berlinale oder den deutschen Schulpreis, sondern das gilt natürlich auch ganz besonders für den Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik. Ich freue mich, Euch und Sie alle heute Vormittag hier im ehemaligen Stadtbad Oderberger begrüßen zu dürfen. Und ich weiß, dass viele jetzt im Livestream zuschauen und mitfiebern. Und allen hier im Saal und denen im Livestream sage ich ein ganz herzliches Willkommen zur Preisverleihung heute hier in Berlin!

Falls sich jemand fragen sollte, was ich eigentlich mit dieser Preisverleihung zu tun habe: Es war einer meiner Vorgänger, Johannes Rau, der den Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik vor mehr als zwanzig Jahren ins Leben gerufen hat, und alle seine Nachfolger haben sich für diesen Schulwettbewerb engagiert. Und heute ist der jeweils amtierende Bundespräsident gleichzeitig Schirmherr und damit offizieller Unterstützer dieses Wettbewerbs.

Und ich darf Ihnen und Euch allen versichern: Für mich ist diese Preisverleihung nicht einfach nur ein Routinejob, sondern wirklich Herzenssache. Denn in dieser Zeit, in der Klimakrise und Artensterben, Kriege und Terror, Armut und Hunger das Leben und das Zusammenleben auf unserem Planeten erkennbar bedrohen, ist es wichtiger denn je, dass wir uns als Weltbürgerinnen und Weltbürger verstehen – aber eben nicht nur verstehen, sondern vor allen Dingen verantwortungsvoll handeln, ganz so, wie es das Motto des Schulwettbewerbs zur Entwicklungspolitik zum Ausdruck bringt: "Alle für eine Welt, eine Welt für alle."

Das Tolle an den Beiträgen dieser Wettbewerbsrunde ist, dass sie nicht nur Bewusstsein dafür wecken, dass wir dringend etwas tun müssen, sondern dass sie uns vor allen Dingen zeigen, was wir tun können. Wir stehen der Erderwärmung und der wachsenden Ungleichheit auf der Welt nicht ohnmächtig gegenüber, ganz im Gegenteil: Wir können umdenken, wir können umsteuern, um gemeinsam in eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten aufzubrechen. Wir können selbst die Veränderung sein, jede und jeder Einzelne von uns. Und je mehr mitmachen, desto mehr Grund haben wir alle miteinander zur Zuversicht.

Wenn man sieht, mit welcher Begeisterung und Kreativität Ihr ans Werk gegangen seid, wie viele praktische Lösungen Ihr gefunden habt, dann bekommt man eigentlich sofort Lust aufs Mitmachen. Ihr habt Kleidungsstücke repariert und Tauschbörsen eingerichtet, in einer eigenen Firma fairen Handel betrieben, Geschichten von Geflüchteten recherchiert und erzählt. Ihr habt an Euren Schulen Energie eingespart, Plastikmüll reduziert, ökologisch und fair produzierte Lebensmittel gekauft. Ihr habt, gemeinsam mit Euren Partnerschulen, Möbel für Mosambik geschreinert, ein Solarenergie-Projekt in Tansania begleitet und vieles, vieles andere mehr. Und das Beste ist: Das meiste von dem, was Ihr ins Leben gerufen habt, hat Bestand und wird von Euch oder von anderen in Zukunft weitergeführt.

Eure Beiträge führen uns nicht nur vor Augen, dass Volkswirtschaften und Gesellschaften aufs Engste miteinander verflochten sind, sondern zeigen uns auch, wie sehr wir weltweit alle aufeinander angewiesen sind; dass alles, was wir hier in Deutschland und Europa tun, aber auch, was wir lassen, ganz konkrete Folgen für die Menschen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas hat – und damit Folgen für das Miteinander in der Weltgemeinschaft.

Mit Euren Aktionen, Videos, Podcasts, Theaterstücken und Gesellschaftsspielen habt Ihr viele Menschen in Euren Schulen, Euren Familien und Eurer Nachbarschaft dazu angeregt, in ihrem Alltag selbst verantwortungsvoll zu handeln: beim Einkaufen im Supermarkt oder im Internet, als Verkehrsteilnehmer oder Touristin, als Unternehmerin oder Landwirt. Und Ihr habt, nicht zuletzt, auch manchen dazu gebracht, sich in Vereinen, Verbänden oder demokratischen Institutionen zu engagieren. Auch das ist gut.

Denn Veränderung braucht immer beides: den Einzelnen, der sein Verhalten aus freien Stücken ändert, aber natürlich auch politische Entscheidungen und allgemeinverbindliche Regeln. Es ist eine politische Aufgabe zu verhindern, dass die Gewinne des ökologischen Umbaus in die reichen Länder des Nordens fließen, während die armen Länder des Südens die Kosten tragen. Es ist eine politische Aufgabe, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und Menschen in armen Ländern dabei zu unterstützen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Und es ist nicht zuletzt eine politische Aufgabe, bei Kriegen, Krisen und Katastrophen humanitäre Hilfe zu leisten. Gerade jetzt dürfen wir, mit Blick auf die Welt und wie sie ist, da nicht nachlassen.

In unserer Demokratie sind es Wählerinnen und Wähler, die mit ihrer Stimme darüber entscheiden, welche politischen Parteien die Mehrheit bilden, in den Stadt- und Gemeinderäten ebenso wie in den Parlamenten Europas, des Bundes und der Länder. Es sind Wählerinnen und Wähler, die darüber mitbestimmen, ob nach einer Wahl handlungsfähige Koalitionen gebildet werden können, Koalitionen von oft ganz unterschiedlichen demokratischen Parteien, die zusammen politische Verantwortung für eine bessere Zukunft in unserer einen Welt übernehmen können und wollen.

Wer populistische oder extremistische Parteien wählt, solche Parteien, die nationalistische Abschottung und menschenfeindlichen Hass predigen, der gefährdet vieles, auch die gemeinsame Zukunft auf diesem Planeten. Ich bin davon überzeugt: Zur Verantwortung für eine bessere Welt gehört unbedingt auch eine verantwortungsvolle Wahlentscheidung.

Das gilt für die jungen Wählerinnen und Wähler ganz genauso wie für uns Ältere. Bei der Europawahl vor wenigen Tagen durften in Deutschland erstmals auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben, und ich bin sicher, dass heute einige der Erstwähler hier bei uns im Saal und im Livestream vertreten sind. Das Ergebnis der Europawahl hat uns allerdings auch vor Augen geführt, dass auch junge Wählerinnen und Wähler alles andere als geschlossen hinter dem Motto "Alle für eine Welt – eine Welt für alle" stehen.

Auch deshalb heute mein eindringlicher Appell an alle Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichen Alters: Wenn wir Frieden fördern, Menschenrechte schützen, die liberale Demokratie stärken und künftigen Generationen ein selbstbestimmtes Leben auf unserem Planeten ermöglichen wollen, dann müssen wir jetzt Verantwortung für diese eine Welt übernehmen, und zwar in der Politik, natürlich, aber auch in der Gesellschaft.

Sie alle hier tun das, Verantwortung übernehmen. Ihr alle macht vor, wie das geht, und Ihr alle helft mit, dass auch andere sich hoffentlich für die Übernahme von Verantwortung entscheiden. Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik inspiriert Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene zum Handeln – und er zeigt, wie viel Freude es macht, unsere Welt ein Stück besser zu machen.

Ich danke allen, die diesen großartigen Wettbewerb mit ihrem Engagement überhaupt erst möglich machen: den Lehrerinnen und Lehrern, den Schulleitungen und den vielen anderen Partnern, die erforderlich sind, um einen solchen Wettbewerb ausrichten zu können. Sie alle sorgen dafür, dass globales Lernen einen festen Platz in unseren Schulen, in unseren Stadtteilen, in unseren Dörfern hat. Sie alle helfen mit, dass weltbürgerliches Denken und Handeln vor Ort beginnt. Und deshalb Ihnen allen auch meinen ganz herzlichen Dank!

Liebe Schülerinnen und Schüler, ich weiß natürlich, Ihr wartet jetzt gespannt auf die Preisverleihung. Obwohl ich eigentlich finde, dass es bei diesem Wettbewerb gar nicht so wichtig, gar nicht so entscheidend ist, welchen Preis man am Ende gewinnt. Denn Ihr alle seid jetzt schon, schon vor der Preisverleihung Gewinner. Ihr habt Kinder und Jugendliche aus Ländern wie Ruanda, Indien oder Peru kennengelernt; Ihr habt voneinander und miteinander gelernt; Ihr habt Freunde auf der ganzen Welt gefunden. Und Ihr seid auch in Euren Teams, Klassen und Schulen enger zusammengerückt und habt erfahren, wie viel Ihr jetzt schon in Eurem Alter gemeinsam, miteinander bewegen könnt.

Und nicht zuletzt – das gilt für alle, die teilgenommen haben – seid Ihr selbst ein Gewinn. Ein Gewinn für unser Land und für unsere eine Welt. Ihr macht Mut, Ihr weckt Begeisterung, Ihr seid die Veränderung. Euch allen meinen herzlichen Glückwunsch, Dank für die Teilnahme, und Glückwunsch denjenigen, die wir gleich noch auf der Bühne sehen. Danke schön!