Veranstaltung "Magdeburg singt für eine weltoffene Stadt – im Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 20.12.2024“

Schwerpunktthema: Rede

Magdeburg, , 16. Januar 2025

Bundespräsident Steinmeier hat am 16. Januar bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Anschlags vom 20.12.2024 zu Zusammenhalt und Solidarität aufgerufen: "Wir wollen, dass Magdeburg eine weltoffene und lebenswerte Stadt bleibt."

Bundespräsident Steinmeier hält eine Ansprache bei der Veranstaltung "Magdeburg singt für eine weltoffene Stadt – im Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 20.12.2024"

Dieser 20. Dezember des vergangenen Jahres wird für immer ein tiefer Einschnitt in der Geschichte Ihrer Stadt sein. Für immer wird hier unterschieden werden zwischen einem Davor und Danach. Ich weiß, der 16. Januar ist für Sie jedes Jahr ein Anlass zu gedenken: der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren. Aber heute, hier am Alten Markt, muss das Gedenken an die Opfer des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt ganz im Vordergrund stehen.

Unser Herz ist heute schwer. Der Schmerz will nicht vergehen. So viel Entsetzen – Fassungslosigkeit. "Noch immer fehlen uns die Worte", schrieb eine Magdeburgerin vor wenigen Tagen ins Kondolenzbuch Ihrer Stadt. Vielen von Ihnen geht es vermutlich ähnlich, auch fast einen Monat nach dem furchtbaren Anschlag hier auf dem Weihnachtsmarkt. Ihre Heimatstadt Magdeburg ist tief im Innersten verwundet, das ist das Gefühl der Allermeisten. Deshalb bin ich heute hier bei Ihnen.

Sechs Menschen wurden auf so grausame Weise aus dem Leben gerissen, darunter auch ein Kind. Unser tiefes Mitgefühl gilt Ihnen, den Angehörigen, den Freunden, den Kollegen, den Nachbarn. Welche Qualen Sie, liebe Angehörige, durchleiden, das ahnen wir, und ich habe es vorhin beim Gespräch mit einigen von Ihnen gespürt. So viele Fragen peinigen Sie. Ihr Schmerz, Ihr Leid lassen niemanden unberührt. Wie soll das Leben weitergehen, wenn einem das Liebste genommen wird? Wenn Träume, Pläne, Hoffnungen, das ganze Lebensglück zerstört sind? Wenn nichts mehr im Leben sein kann und sein wird wie zuvor?

Liebe Angehörige, ich weiß, Ihr Schmerz zerreißt Sie. Und doch möchte ich Ihnen heute, an diesem Tag hier in Magdeburg sagen: Sie sind mit Ihrem Schmerz nicht allein. Wir stehen an Ihrer Seite. Wir fühlen und wir trauern mit Ihnen.

Unsere Gedanken sind heute auch bei denen, die am 20. Dezember verletzt wurden, manche schwer. Ich wünsche ihnen von ganzem Herzen gute Genesung. Und wir denken heute auch an die, die vielleicht nicht körperlich versehrt sind, aber an der Seele. Die die Bilder dieses Abends nicht mehr loslassen. Mögen auch sie hoffentlich bald mehr innere Ruhe finden.

Mein ganz besonderer Dank geht heute an alle, die vor Ort Hilfe geleistet und Trost gespendet haben: Polizisten und Feuerwehrleute, Seelsorgerinnen und Ehrenamtliche, Sanitäter und Ärztinnen, die Verletzte und Traumatisierte versorgt haben, sie in Krankenhäuser gebracht und dort behandelt haben. Was sie erlebt und geleistet haben im Chaos jenes Abends, das haben mir einige Rettungs- und Einsatzkräfte eben im Gespräch erzählt.

Danken möchte ich aber auch den Bürgerinnen und Bürgern, die anderen geholfen haben und immer noch helfen. Helfen, einfach weil es ihnen ein Bedürfnis ist, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Ich weiß: In der Stunde der Not hält unser Land zusammen, und dafür bin ich sehr dankbar.

Noch immer sind viele Fragen offen. Friedliche, fröhliche Menschen auf einem Weihnachtsmarkt anzugreifen, zu verletzen, in den Tod zu reißen – wie konnte es zu dieser entsetzlichen Tat kommen? Sie als Bürgerinnen und Bürger können zu Recht erwarten, dass umfassend ermittelt und aufgeklärt wird und Fehler, wo sie vorgekommen sind, offen benannt werden. Und auch das gehört dazu: Wer eine solche Tat begeht, muss zur Verantwortung gezogen werden.

Ja, unser Herz ist schwer. Aber wir kommen heute auch zusammen, um zu zeigen: Wir lassen uns nicht von Angst, Wut, Verunsicherung lähmen und überwältigen. Wir sind überzeugt, dass Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben dürfen, und ich bin allen dankbar, die jetzt sagen: Wir wollen, dass Magdeburg eine weltoffene Stadt bleibt, dass die Stadt ein lebens- und liebenswerter Ort bleibt für alle, die hier ihre Heimat gefunden haben. Wir stehen zusammen, weil wir in einer friedlichen, toleranten und solidarischen Gesellschaft leben wollen – das ist die Botschaft, die heute von diesem Platz ausgeht. Wir lassen uns nicht auseinandertreiben! Zusammenstehen, wenn es darauf ankommt, das ist es doch, was unser Land ausmacht. Das ist es, was wir heute zeigen wollen.