Das ist die Drossel, die da schlägt, / Der Frühling, der mein Herz bewegt; / Ich fühle, die sich hold bezeigen, / Die Geister aus der Erde steigen. / Das Leben fließet wie ein Traum / Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.
Wenn ein deutscher Bundespräsident in der armenischen Hauptstadt steht und frühlingshafte Gedichte aus seiner Heimat rezitiert, dann kann es dabei nur um zweierlei gehen. Erstens: Der Frühling ist tatsächlich da. Und zweitens: Wir befinden uns im Komitas-Museum, wo die deutsche Dichtkunst – wir konnten es eben sehen – ihren festen Platz hat. Das Gedicht aus der Feder von Theodor Storm heißt übrigens "April“, wir sind damit also einen Tag zu früh dran. Es gehört zu jenen Werken, die Komitas während seiner Studienzeit in Berlin auf deutsche Gedichte wie die von Theodor Storm und Johann Wolfgang von Goethe komponiert hat. Die Lieder zeigen eindrucksvoll, wie verbunden der berühmteste armenische Komponist mit der abendländischen Lyrik einerseits, aber auch mit ihrer Musik von Franz Schubert bis Richard Strauss war.
Sie alle wissen es vermutlich: Komitas gilt als Vater der armenischen Musik. Wie kein zweiter verkörperte er, der Priester, dieses biblische Land zwischen Asien und Europa, ein Land geprägt von einer jahrtausendealten, orientalischen und zugleich christlichen Kultur; gezeichnet von einer Geschichte voller Leid, Verfolgung und Exil. In Komitas' Liedern, so sagt man hier, singt die Seele des armenischen Volkes. Sein Schicksal ist eng verknüpft mit dem Schicksal seines Landes.
Und auch meinem Land war er eng verbunden. Durch seine Bande nach Berlin gilt Komitas als Wegbereiter der deutsch-armenischen Beziehungen in Kultur, Religion und Wissenschaft. Wir hätten uns also keinen besseren Ort aussuchen können, um unsere kulturellen Beziehungen zu würdigen. Vielen Dank für die Gastfreundschaft am heutigen Abend!
Schon sehr bald wird es noch einen weiteren Ort hier in Eriwan geben, an dem wir die kulturellen Beziehungen unserer Länder mit Leben füllen werden, an dem die deutsch-armenische Freundschaft ein neues Zuhause haben wird. Die Umwandlung des bisherigen Goethe-Zentrums zu einem voll entwickelten Goethe-Institut ist bereits beschlossen, die Eröffnung für dieses Jahr fest eingeplant.
Wir alle freuen uns darüber, und ich bin überzeugt, das Goethe-Institut wird unsere kulturellen Beziehungen weiter stärken. Schon heute gibt es in Armenien ein großes Interesse an Deutsch als Fremdsprache, aber auch an wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Davon zeugen nicht zuletzt die fast 50 bilateralen Hochschulkooperationen. Für junge Armenierinnen und Armenier ist Deutschland das zweitbeliebteste Land, um zu studieren. Ich habe heute Ihrem Präsidenten gesagt: Ich bin beglückt darüber, wenn ich auf die letzten Jahre schaue, dass der Austausch auf der politischen Ebene ständig weiter zugenommen hat: von deutschen Ministerinnen und Ministern, Staatssekretären und Staatssekretärinnen, hier in Armenien und umgekehrt. Doch was wir auch brauchen, sind People-to-People-Kontakte. Und dazu tragen ganz sicher auch die Städtepartnerschaften bei. Es würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn man an der Universität Leipzig demnächst öfter mal den einen oder die andere armenische Studierende aus Eriwan trifft.
Ich freue mich jedenfalls, dass Sie alle heute hier sind und wünsche Ihnen allen gute Gespräche, uns allen viel Vergnügen, in einem Wort: einen wunderschönen deutsch-armenischen Abend!