"Sie sind und Sie bleiben ein wichtiger Pfeiler unserer Außenbeziehungen"

Schwerpunktthema: Rede

Bonn, , 9. April 2025

Bei seinem Besuch bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am 9. April in Bonn hat Bundespräsident Steinmeier betont, dass sie ein starkes Aushängeschild Deutschlands in der Welt sei.

Der Bundespräsident steht hinter einem Pult und hält eine kurze Ansprache

Erstmal ganz herzlichen Dank für die Einladung, für den freundlichen Empfang, dass Sie so zahlreich gekommen sind. um meiner Grundsatzerklärung zur Entwicklungszusammenarbeit zu hören.

Nein, keine Angst, wir werden gleich noch zwei weitere Gesprächsrunden haben. deshalb werde ich ein paar Bemerkungen zu Anfang machen und nachher werden wir in den Podien noch ein bisschen miteinander diskutieren. Aber ich freue mich persönlich, zum ersten Mal hier an diesem – inzwischen doch für Sie gewohnten, aber immer noch relativ neuen – Standort, dem GIZ-Campus, zu sein. Und wie ich in meiner Vorbereitung gelernt und nicht für möglich gehalten habe, ist tatsächlich: Seit dieser Standort neu bezogen wurde, ist es der erste Besuch eines Bundespräsidenten hier. Und deshalb kann man einfach nur sagen: Es wurde auch höchste Zeit!

Ich kann Thorsten Schäfer-Gümbel nur Recht geben: Es wurde höchste Zeit – nicht obwohl, sondern gerade weil die Entwicklungszusammenarbeit in diesen Tagen, in diesen Wochen und Monaten und wahrscheinlich noch eine Weile, die vor uns liegt erheblich unter Druck steht. Wir sehen – und wer wüsste das besser als Sie –, dass viele Regierungen, auch entwickelter Staaten, ihre Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit stark, teilweise sogar sehr stark zusammenstreichen, kürzen. Wir sehen auch – das ist vielleicht noch bitterer für Sie –, dass sich die öffentliche Debatte über die Entwicklungspolitik verändert hat. Sie ist sehr viel kritischer geworden. Ich will nicht zum tausendsten Mal die Fahrradwege in – Sie wissen schon – erwähnen.

Aber in einigen Ländern des globalen Nordens werden neuerdings die Stimmen lauter – und das ist das Entscheidende –, die der Ansicht sind, dass uns globale Krisen und Herausforderungen wie der Klimawandel, Dürren und Flüchtlingsbewegungen, Hunger und Konflikte auf anderen Kontinenten, dass uns all das nichts mehr angeht.

Und da Sie alle auch Zeitungsleser sind, sind Sie heute Morgen gestolpert über einen Artikel aus einer Schweizer Publikation, bei der Sie diese Art des neuen Zynismus, der sich bereitmacht in der Welt, geradezu als Musterbeispiel vorgefunden haben.

Natürlich müssen wir uns in der Entwicklungspolitik Gedanken machen und uns selbst rechtfertigen mit dem, was wir tun. Wir müssen Schwerpunkte und Methoden, immer wieder aufs Neue hinterfragen und überprüfen: Sind wir in den richtigen Regionen unterwegs und mit den richtigen Ansätzen? Können wir die Ziele, die wir erreichen wollen, möglicherweise effizienter erreichen als wir es mit den Mitteln und Instrumenten tun, die wir anwenden? Wie schaffen wir nachhaltigen Fortschritt und nicht nur kurzfristiges Strohfeuer? Und wie stellen wir echte Augenhöhe her mit den Partnern in der Entwicklungszusammenarbeit? Und Augenhöhe– nicht nur auf dem Papier?

Ich weiß, dass Sie alle sich diese Fragen immer wieder vorlegen und stellen. Und ich weiß und ich habe erfahren, ja, welche Konflikte und welche Enttäuschungen wir mit neuen Schwerpunktsetzungen, manchmal auch der Beendigung von bilateraler Entwicklungszusammenarbeit verursachen. Und das ist ja nichts, was zu Ende geht, sondern in Zeiten sinkender Budgets – auch bei Ihnen –, in Zeiten, in denen die Personalstärke eher sinkt als steigt, wird es in Zukunft alles etwas schwieriger werden.

Aber es gibt eben einige, die interessiert das alles nicht – und das habe ich gemeint, mit dem Artikel, der mir heute Morgen auch vorgelegt worden ist. Da genügt es sozusagen, den analogen oder den digitalen Stammtisch zu befriedigen, mit dem Blick auf eine Entwicklungszusammenarbeit, die der Welt angeblich so fern ist, die die Realitäten nicht zur Kenntnis nimmt. Und das sage ich jetzt nochmal als ehemaliger Außenminister, der auch nicht immer eine völlig konfliktfreie Zusammenarbeit mit dem BMZ gehabt hat. Aber ich sage jetzt mal für beide Ministerien: Es ist ja, anders als es manchmal dargestellt wird, häufig nicht so, dass die Wirtschaft, die Politik – dem Auswärtigen Amt, im BMZ oder im Wirtschaftsministerium – auf die Veränderung von Bedingungen, sagen wir mal in den afrikanischen Staaten, aufmerksam machen muss.

Es ist häufig sogar umgekehrt: dass Entwicklungszusammenarbeit Wirtschaft mitnimmt, um aufzuklären über sich entwickelnde Märkte, um aufzuklären über investive Rahmenbedingungen und auch aufzuklären über das rechtliche Umfeld. Das interessiert mich. Und das interessiert auch häufig nicht bei solchen Stellungnahmen, welche Schäden wir uns selbst zufügen, hier in Deutschland zufügen, wenn wir den Ruf nach dem Ende der klassischen Entwicklungszusammenarbeit, wenn wir diesem Ruf tatsächlich folgen würden.

Ich bin sehr froh, und Sie haben wahrscheinlich mit Spannung die Äußerungen des heutigen Tages von den Koalitionären zur Kenntnis genommen. Und ich bin sehr froh, dass in der demokratischen Mitte unseres politischen Systems jedenfalls die nach wie vor fest geführte Auffassung ist, dass Entwicklungszusammenarbeit unverzichtbar ist. Und das ist ein gutes Zeichen. Nicht nur für Sie, sondern für uns alle.

Und das nicht nur, weil Entwicklungszusammenarbeit ihren Beitrag leistet, immer wieder zu leisten versucht, um globale Probleme zu lösen oder jedenfalls der Lösung näher zu bringen. Nicht nur das, sondern, weil wir durch diese Zusammenarbeit auch Partnerschaften mit Ländern pflegen, die heute mehr Alternativen haben, als das früher der Fall war.

Es gibt nicht nur Ost und West, sondern es gibt neue Orientierungen und Alternativen für viele Länder. Wir müssen gerade in diesen Zeiten, Zusammenarbeitsformen mit Ländern suchen, die uns mindestens in größeren Teilbereichen in ihrem Ehrgeiz, in ihrem Willen, in ihren Bestrebungen, in ihren Überzeugungen  in etwa ähnlich sind. Wir brauchen Partner rund um die Welt, in einer Zeit, in der sich einige jedenfalls entschlossen haben, dass wir die Stärke des Rechts, mit der wir nach meiner Überzeugung eigentlich jahrzehntelang einigermaßen ordentlich gelebt haben, dass einige der Meinung sind, dass wir die Stärke des Rechts wieder durch das Recht des Stärkeren ersetzen sollten. Gerade in solchen Zeiten brauchen wir Ansätze, die uns mindestens die Möglichkeit zu engerer Kooperation mit Staaten um die Welt gibt.

Dass die Entwicklungspolitik diesen Beitrag leisten kann, liegt überwiegend an Ihnen, meine Damen und Herren. Ich bin viel unterwegs in Afrika, in Asien, im Nahen Osten und Lateinamerika. Und verkürzt gesagt: Überall treffe ich auf Sie, auf engagierte Kolleginnen und Kollegen und sehe, im Unterschied zu anderen vielleicht auch manchmal etwas häufiger, welch wichtige Projekte Sie betreuen.

Und es sind eben nicht diejenigen, die häufig in der öffentlichen Debatte sind, in der kritischen Debatte sind, sondern es sind ganz wichtige Dinge, die zentral sind für die Zusammenarbeit – übrigens auch zentral sind für Wirtschaft.

Ich war jetzt gerade, das haben Sie gesehen, in Armenien und Aserbaidschan. Ich habe Armenien gesehen, dass wir dort Hilfe leisten bei der Justizreform. Entscheidend wichtig für ein Land, das einen wirtschaftlichen Schritt nach vorne gehen will. Und das dazu den Anschluss an Europa suchen. Der mag weithin sein, aber ohne eine glaubwürdige Korruptionsbekämpfung, ohne ein rechtliches Umfeld, in dem deutsche Wirtschaft sich auch nur vorstellen könnte, sich dort zu engagieren, wird das Ganze nicht gehen. Und ich erlebe immer wieder, da wo ich auf Sie oder auf Ihre Kolleginnen und Kollegen treffe, welche positive Auswirkungen das hat auf das Bild, das wir als Land Deutschland in diesen Regionen hinterlassen.

Nehmen wir ein Beispiel, das ich vielleicht vor ein paar Wochen auch noch nicht gewählt hätte: Lesotho. Ein Land, das zugegebenermaßen nicht immer im grellen Rampenlicht steht. Aber nicht jeder kennt es, wie wir vor Kurzem in einer spektakulären Pressekonferenz in Washington sehen konnten.

Aber Sie, meine Damen und Herren, die GIZ schon. Ich habe selbst erst vor wenigen Wochen Ihre Kolleginnen und Kollegen in Lesotho getroffen, die mir gezeigt haben, wie sie dort mit ihren Partnern vor Ort zusammenarbeiten, um den wichtigen, vielleicht sogar den wichtigsten Wasserspeicher für das südliche Afrika zu schützen und zu bewahren. Auch das, glaube ich, verdient die Öffentlichkeit etwas stärker zu erfahren, als uns das in der Vergangenheit miteinander gelungen ist.

Viele von Ihnen sind, das weiß ich aber auch, in nicht ganz so schönen Ländern unterwegs. Nicht jeder von Ihnen kann nach Lesotho. Viele sind auch dort im Einsatz, wo das Leben und Arbeiten schwierig ist. Auch dort, wo es mühsam und gefährlich ist. Den ein oder anderen, wenn ich auf die älteren Köpfe hier in der Runde schaue, den ich vielleicht in Afghanistan getroffen habe oder etwas näher liegend zeitlich: auch im Sudan.

Das sind Einsatzorte, von denen ich ahne, dass sie schwierig sind, schwierig bleiben oder sogar – Afghanistan –, wo Ihre Arbeit im Augenblick unmöglich geworden ist. Weil ich das weiß, dass Sie an solchen Orten unterwegs sind und mit Ihren Möglichkeiten und den Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit das zu tun versuchen, was hilfreich für die Menschen dort ist: Mein ganz herzlicher Dank, dass ich hier sein kann, dass ich zu Ihnen sprechen kann.

Danke Ihnen, die Sie hier sind in der GIZ-Zentrale, darf man das so sagen? In einem von verschiedenen GIZ-Standorten. Ich weiß natürlich, dass die GIZ mehrere Standorte hat, aber dieser ist der neueste. Ich freue mich, dass ich hier sein kann. Ihnen meinen Dank sagen kann. Vor allen Dingen auch denjenigen, die heute nicht hier sein können, weil sie irgendwo draußen im Feld, in der Welt ihre Arbeit leisten.

Ich will Ihnen versichern, deshalb bin ich hier: Sie sind und Sie bleiben ein wichtiger Pfeiler der deutschen Außenbeziehungen und ein ganz starkes und vor allen Dingen positives Aushängeschild für unser Land.