Was für ein Bild! So viele junge Menschen heute hier im Schloss Bellevue, und alle zusammengekommen, um den Verfassungstag zu feiern!
Vielleicht denken Sie jetzt aber auch: "Verfassungstag? Wie bitte? Noch nie gehört." Und damit wären Sie wahrscheinlich nicht allein. So geht es vermutlich vielen Menschen in unserem Land. Denn der 23. Mai ist kein Feiertag mit Luftballons, roter Brause und Bratwurststand, kein Tag mit Blaskapellen, Open-Air-Konzerten, Straßenfesten, an denen Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen, zusammen lachen. Aber, wenn Sie mich fragen: Genau so ein Tag sollte der Verfassungstag eigentlich sein.
Es sollte ein Tag sein, an dem wir unser Land feiern, es gemeinsam hochleben lassen. Denn an diesem Tag wurde im Jahr 1949 unser Grundgesetz verkündet – die Grundlage unserer Demokratie, eines der wertvollsten Geschenke, die wir haben.
Unsere Verfassung, entstanden nach dunkelsten Jahren deutscher Geschichte. Eine Verfassung, die uns seit 76 Jahren Rechte, Freiheit, Frieden garantiert. Ein Verfasungstext, der sagt: Jeder Mensch ist gleich viel wert. Ein Text, der unsere Demokratie schützt – aber nicht allein auf ewig garantieren kann. Denn Demokratie ist mehr als Worte auf Papier und mehr als Paragraphen. Demokratie entsteht aus dem, was wir daraus machen. Sie lebt durch uns: durch Beteiligung, durch Einsatz, durch Miteinander.
Und genau deshalb sind wir heute hier. Nicht nur, um zu feiern, sondern um zu fragen: Wie machen wir den Verfassungstag zu einem lebendigen Tag, einem Tag, der Mut macht, bewegt, begeistert?
Unsere Antwort heißt: Der Ehrentag. Für dich. Für uns. Für alle.
Liebe Gäste, herzlich willkommen im Schloss Bellevue!
Was steckt nun hinter unserer Idee eines "Ehrentages" für unser Land?
Im nächsten Jahr wird unser Grundgesetz 77 Jahre alt, und ich wünsche ich mir, dass wir zu diesem Geburtstag diesen Ehrentag nicht nur feiern, sondern ihn mit Leben füllen. Mit einem Tag, der sichtbar macht, was oft abseits der Öffentlichkeit passiert. Mit einem Tag, der Menschen zusammenbringt. Mit einem Tag, an dem wir auch Danke sagen – und gleichzeitig einladen. Am 23. Mai 2026 wollen wir deshalb wieder zusammenkommen. Dann soll Der Ehrentag. Für dich. Für uns. Für alle.
erstmals in ganz Deutschland stattfinden. Es ist ein Tag für Mitmenschlichkeit, der sagt: Bürgerin oder Bürger zu sein heißt auch sich einzubringen, etwas mit anderen zu teilen, etwas zu geben, das einem anderen Menschen hilft oder ihm Freude macht.
Dieser "Ehrentag" lädt also ein, unser Land mitzugestalten – gerade in Zeiten, die uns fordern. Denn wir leben in einer Zeit großer Umbrüche, in der viele sich ohnmächtig fühlen angesichts der Klimakrise, des Krieges in der Ukraine oder der wachsenden Polarisierung in unserer Gesellschaft. Gerade jetzt suchen viele Menschen nach Halt und Orientierung. Und genau darum soll es gehen am "Ehrentag" 2026: Engagement als Mittel gegen das Gefühl der Machtlosigkeit. Weil man spüren kann: Es kommt auch auf mich an. Ich kann etwas bewirken. Ich mache einen Unterschied. Und: Das ist nicht nur gut für mich, es ist auch gut für uns alle, und damit am Ende auch gut für die Demokratie. Wer etwas für andere tut, bekommt oft mehr zurück, als er gibt. Freude, Begegnung, Sinn. Dort, wo Menschen sich erleben als aktive Gestalterinnen und Gestalter, da wächst Vertrauen – nicht nur in sich selbst, sondern auch ins Gegenüber, in die Gesellschaft. Da wächst Gemeinschaft. Da wächst etwas, was wir so dringend brauchen: Zusammenhalt.
Ein starkes Gemeinwesen lebt von Begegnung. Und dort, wo wir einander begegnen, wo wir einander zuhören, wo wir Perspektiven von anderen aus ganz unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft kennenlernen, da wächst Verständnis und Mitgefühl, da entsteht Solidarität. Deshalb: Raus aus der Komfortzone! Ich möchte mit dieser Initiative alle erreichen und jeder und jedem Einzelnen zurufen: Pack mit an – für dich, für uns, für uns alle!
Ich weiß natürlich, Sie alle hier muss ich davon nicht überzeugen. Viele von Ihnen hier im Saal vertreten die immer noch fast 30 Millionen Engagierten in unserem Land. Das ist viel. Weil sich so viele schon jeden Tag in unserem Land engagieren – als Rettungsschwimmerin, als Sterbebegleiter, als Fußballtrainerin, bei der Jugendfeuerwehr, als Sozialpate für benachteiligte Jugendliche, in Kulturstätten, für Demokratieprojekte, gegen Hass und Gewalt oder für Klimaschutz, im THW, beim Roten Kreuz –, deshalb will ich heute an erster Stelle erst einmal ihnen allen Danke sagen: Ich danke Ihnen allen, die Sie unser Land zu einem besseren machen, es zusammenhalten. Ob in klassischen Strukturen oder auf neuen Wegen: Sie alle haben volle Unterstützung verdient, für das, was Sie tun. Und da setzt der "Ehrentag" an. Wir wollen Ihnen auf keinen Fall Mehrarbeit machen, sondern der "Ehrentag" soll dazu beitragen, dass Sie noch viele helfende Hände hinzubekommen, von denen hoffentlich ein großer Teil über den einen Tag hinaus aktiv bleibt.
Jetzt muss ich eins zugeben: Wir sind nicht die Ersten, die auf diese Idee gekommen sind. In Großbritannien gibt es seit 2022 eine ganz ähnliche Aktion, die uns inspiriert hat – die Briten nennen das The Big Help Out
. Millionen Menschen haben sich im ganzen Land daran beteiligt mit großem und vor allem nachhaltigem Erfolg. Drei von vier Teilnehmenden sagen von sich, dass sie seit dieser Aktion ein stärkeres Gefühl von Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft vor Ort entwickelt haben, fast 80 Prozent kamen mit Menschen zusammen, die sie zum ersten Mal getroffen haben, mit Menschen, die aus anderen Lebenswelten, ganz anderen Milieus in der Gesellschaft stammen. Wir nehmen das als Inspiration. Natürlich: Unser "Ehrentag" wird eine ganz eigene Handschrift tragen – eine, die die Vielfalt unseres Landes widerspiegeln soll und wird.
Was soll also passieren an unserem "Ehrentag"? Mein Wunsch ist: Ganz Deutschland soll zu einer Bühne werden fürs Bessermachen. Da kocht ein Sportverein mit Geflüchteten, lädt zum Essen ein und organisiert vielleicht ein gemeinsames Sportfest. Da singt ein Chor im Gefängnis, da wird vorgelesen im Seniorenstift oder Plastikmüll aus dem Bach in der Umgebung gefischt. Da pflanzen Nachbarschaften gemeinsam Blumeninseln im Kiez. Da helfen junge Menschen Seniorinnen und Senioren bei der Einrichtung von WhatsApp oder bei der Bestellung in der Apotheke. Da renoviert ein IT-Unternehmen das Kinder- und Jugendzentrum um die Ecke oder organisiert ein Straßenfest. Auch kleine Initiativen zeigen die Größe der Idee. In der Summe entsteht hoffentlich in allen Teilen unseres Landes ein Mosaik der Gemeinsamkeit, in dem wir uns als zusammengehörig erleben.
Ich sage ausdrücklich: Der Ehrentag darf auch Spaß machen! Engagement ist nicht nur Einsatz, es ist auch Begegnung, Lachen, Gemeinschaftsgefühl. Wer gemeinsam anpackt, erlebt oft, wie leicht sich Sinn und Freude miteinander verbinden lassen. Und wer sich einmal engagiert hat, sagt hinterher oft: "Ich hätte nie gedacht, wie gut sich das anfühlt." Mitmachen lohnt sich also doppelt.
Einen ganzen Tag lang engagieren sich Menschen für andere, für mehr Chancengleichheit oder für eine bessere Umwelt – für ein besseres, ein gerechteres und lebenswertes Deutschland. Und das Beste daran ist: Jeder und jede kann mitmachen. Ganz gleich, ob man sich schon lange engagiert oder sich zum ersten Mal neugierig die Frage stellt: "Was kann ich eigentlich tun?" Gerade Menschen, die sich bisher noch nicht engagiert haben, wollen wir ermutigen mitzumachen – möglichst ganz ohne Hürden. Die, die bislang dachten: "Ich habe doch gar nichts anzubieten." Doch, habt ihr. Jede und jeder hat Talente, Ideen, etwas Zeit. Es spielt gar keine Rolle, ob es eine halbe oder fünf Stunden sind oder noch mehr an diesem Tag. Engagement ist so vielfältig wie die Menschen in unserem Land – auch das wollen wir mit dem "Ehrentag" deutlich machen.
Zu einem Tag wie dem heutigen gehört es auch, jenen zu danken, die so ein Projekt überhaupt ermöglichen. Allen voran der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Liebe Frau Peranic, lieber Herr Holze, Sie entwickeln diese Initiative des "Ehrentages" mit uns, mit großer Sorgfalt und Leidenschaft. Als junge, bestens vernetzte bundesweite Ehrenamtsstiftung könnte ich mir keinen besseren Partner vorstellen.
Mein herzlicher Dank gilt außerdem der Deutschen Postcode Lotterie – Ihnen, Frau Behrends – und der Zeit Stiftung Bucerius – Ihnen, Herr Hartung –, die Sie das Projekt mit finanziellen Mitteln, Ideen, Reichweite und nicht zuletzt persönlich aus vollem Herzen unterstützen.
Und, das ist mir ein echtes Anliegen, ich danke den mehr als 110 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die bereits jetzt signalisiert haben: Wir sind dabei. Wir gehen voran und zeigen, wie es geht. Wir setzen uns ein für den "Ehrentag" am 23. Mai 2026 – in Dörfern, in Städten, Gemeinden und Quartieren. Einige von Ihnen sind heute hier im Saal. Sie sind großartig! Ohne Sie alle wäre dieses Projekt gar nicht möglich!
Mein besonderer Dank gilt den vielen jungen Menschen im Saal: Ihr seid das Herz des heutigen Tages und des ersten "Ehrentages" im Jahr 2026. Weil ihr nicht auf "Man müsste mal …" wartet. Sondern weil ihr Lust habt auf Zukunft. Und genau diese Energie brauchen wir. Am heutigen 23. Mai und am 23. Mai 2026 – da ganz besonders. Ihr seid diejenigen, die wissen, was eure Generation bewegt. Ihr habt Ideen, wie Engagement auch anders aussehen kann: flexibler, vielleicht digitaler, niederschwelliger, als ich es aus meiner Jugend erinnere. Mit weniger Formalitäten, aber nicht mit weniger Herz.
Ich danke euch, dass ihr das Projekt mit Rat und Tat begleitet. Den heutigen Nachmittag verbringt ihr hier im Schloss Bellevue mit Workshops, die sich der Frage widmen, wie der "Ehrentag" gerade in euren Initiativen und Organisationen und in eurer Generation ein Erfolg werden kann. Und heute Abend sehen wir uns noch mal, zu einem feierlichen Bankett hier im Schloss Bellevue. Mit dem will ich euch danken: für das, was ihr als Engagierte schon in jungen Jahren ganz selbstverständlich und mit großem Engagement für unser Land tut. Und für alles, was noch kommt in diesem Jahr bis zum 23. Mai 2026. Deshalb will ich euch ermutigen: Plant eine Aktion! Macht Werbung dafür! Geht in eure Schulen, Hochschulen, Betriebe, Freundeskreise und sagt: "Wir jedenfalls machen am 23. Mai mit." Und stellt die Frage an andere, ob sie es auch tun.
Ich wünsche mir, dass dieser "Ehrentag" ein Anfang ist. Ein Anfang für viele, die sich zum ersten Mal engagieren. Ein Anstoß für neue Begegnungen. Ein Aha-Moment für Menschen, die entdecken: Mitmenschlichkeit entsteht nicht einfach. Mitmenschlichkeit ist eine tägliche Entscheidung. Sie entsteht überall da, wo wir bereit sind, etwas zu geben: Zeit, Unterstützung, eine kleine Geste im Alltag. Und sie beginnt bei dir. Bei mir. Bei uns allen.
In diesem Sinne: Der Ehrentag. Für dich. Für uns. Für alle.
Danke allen Beteiligten. Ich freue mich auf das, was wir gemeinsam daraus machen!