Guten Tag, Nürnberg! Das Deutsche Chorfest zu Gast in der Stadt der Meistersinger – das klingt nach einem perfekten Match und ich finde, es hat ganz gut begonnen hier, in dieser wunderbaren Kulisse, mit dem schönen gefüllten Platz, mit dem Gesang, den wir hören! Hunderte Chöre und Gesangsvereine aus allen Teilen unseres Landes, unterschiedlichste Gesichter und Stimmen, verbunden durch die Freude am gemeinsamen Singen – es erwartet uns ein großartiges Fest des musikalischen Miteinanders! Und darauf freuen wir uns alle!
Liebe Sängerinnen und Sänger, Sie beweisen es: Auch wenn es in dem einen oder anderen Chor Nachwuchssorgen gibt, Singen ist in unserem Land unglaublich beliebt, und das quer durch die Gesellschaft. Millionen von Menschen singen in Deutschland regelmäßig im Chor, im Gesangsverein, bei privaten oder geselligen Anlässen – Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft.
Und falls sich jetzt jemand fragt, wie das eigentlich mit dem Bundespräsidenten und dem Singen ist, dann sage ich: nicht gut, aber gerne. Und ich kann Ihnen versichern, ich singe nicht nur an Gedenktagen die Nationalhymne, sondern gelegentlich im Gottesdienst, immer wieder auf dem Kirchentag und auch zuhause. Und weil ich leider kein Meistersinger bin, freue ich mich jedes Mal, dass es neben mir links und rechts viele geübte, melodiesichere Stimmen gibt, an denen ich mich orientieren kann! Das ist notwendig.
Hier in Nürnberg kann man bis Sonntag erleben, wie unsere vielfältige Republik singt und klingt. Und man kann erleben, wie das gemeinsame Singen die verschiedensten Menschen überall in unserem Land miteinander verbindet. Laienchöre und Gesangsvereine fördern das Miteinander in Stadtteilen und Dörfern, in Schulen und Universitäten, in Firmen und Gewerkschaften, oft auch zwischen Konfessionen und Religionen. Und in vielen, in sehr vielen Vokalensembles finden sich Sängerinnen und Sänger aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten zusammen: Ältere und Jüngere, Alteingesessene und Zugezogene, Menschen mit verschiedenen Prägungen und Fähigkeiten. Chöre bringen Menschen zusammen, lassen Fremde ankommen bei uns.
Meine eigene Mutter, inzwischen fast 96, die 1945 aus Schlesien kam – was hat sie ankommen lassen in ihrer neuen Heimat, in einemkleinen westfälischen Dorf: der Gesangsverein. Und vielen ist es genauso gegangen. Es geht aber nicht nur ums Ankommen, es geht auch um das Tor zur Welt der Musik und des Muszierens. Und viele finden dieses Tor über den Chor. Dass Chöre dabei so erfolgreich sind, das hat vor allem zwei Gründe: Jede und jeder kann singen. Und fast jede und fast jeder hat großen Spaß daran, gemeinsam mit anderen zu singen.
Und dann hat das gemeinsame Singen auch noch viele positive Nebenwirkungen. Ich glaube, viele hier auf dem Platz können das bestätigen. Es bringt Menschen in Kontakt, lässt sie Gemeinschaft erleben, hilft über Einsamkeit hinweg. Es ist ein wohltuender Ausgleich zum oft genug anstrengenden Alltag. Singen lässt einen herunterkommen, lässt einen durchatmen. Es lässt uns in diesen unruhigen Zeiten, in denen wir leben, Kraft schöpfen, Mut und Zuversicht gewinnen. Und das Allerbeste ist: Singen ist gesund. Es richtet uns auf, bringt uns in Schwung, stärkt unsere Abwehrkräfte – und macht glücklich! Und Sie, liebe Sängerinnen und Sänger, Sie machen mit Ihrem Gesang auch Ihr Publikum glücklich, bei Konzerten in Ihren Heimatorten, bei Auftritten in Seniorenheimen oder Krankenhäusern oder jetzt hier in Nürnberg. Das alles dürfen wir in seiner Bedeutung nicht unterschätzen.
Chöre und Gesangsvereine sind wichtige Bestandteile unserer Kultur. Sie leisten ihren Beitrag zur Lebensqualität im ganzen Land. Und diesen Beitrag brauchen wir dringend!
Und dass dieser Beitrag geleistet werden kann, haben wir insbesondere denjenigen zu verdanken, die sich für das gemeinsame Singen engagieren und Jung und Alt für Musik begeistern. Mein Dank gilt heute den vielen Menschen, die Chöre leiten, die Repertoires gestalten, die Stimmen trainieren und die Nerven beruhigen. Mein Dank gilt all jenen, die Proberäume und Konzerte organisieren, die sich um die Finanzen der Chöre kümmern, die Vereine und Verbände am Laufen halten. Und er gilt den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die hier in Nürnberg mit anpacken, um das Chorfest gut und sicher über die Bühne zu bringen. Es ist großartig, dass es Sie gibt! Ihnen allen meinen herzlichen Dank.
Liebe Sängerinnen und Sänger, in Ihren Chören leben Sie vor, wie man aus vielen verschiedenen Stimmen, Temperamenten und Talenten ein harmonisches Ganzes macht. Jede und jeder kann etwas beitragen und sich zu Gehör bringen. Jede und jeder wird gebraucht und wird zugleich von den anderen unterstützt und getragen. Und die Dissonanzen, die es gelegentlich geben mag, die werden gemeinsam überwunden. Das gelingt nur, wenn man einander zuhört, aufeinander achtet, wenn man sich gegenseitig mit Respekt begegnet. Wenn man nicht nur den eigenen Erfolg, sondern den des ganzen Ensembles im Blick hat. Das sind die Erfolgsbedingungen einer guten Chormusik. Aber es sind gleichzeitig auch Erfahrungen, die für viele andere Bereiche gelten - in Gesellschaft, wie in Fußballvereinen und Verbänden, auch in Politik und in Koalitionen. Auch die können ihren Nutzen davon tragen.
Es gibt viele gute Gründe, weshalb ich mir wünsche, dass Ihre "Stimmen der Vielfalt“ weit über diese Stadt hinausschallen. Dass Sie noch mehr junge Menschen in ganz Deutschland dazu bewegen, einem Chor beizutreten, sich für das Singen zu engagieren. Und dass Sie möglichst viele anstecken mit Ihrem Schwung und Ihrer guten Laune. Gemeinsames Singen ist das Kontrastprogramm zu Twitter und TikTok, es macht Lust auf Gemeinschaft, es macht Lust auf Zukunft und genau das brauchen wir in unserem Land!
Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Chorfest, hier in Nürnberg!