Ernennung des Bundeskabinetts

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 17. Dezember 2013

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 17. Dezember bei der Ernennung des Bundeskabinetts eine Ansprache gehalten: "Die große Koalition, die Ihre Regierung trägt, verfügt über vier Fünftel der Sitze im Deutschen Bundestag. Das verschafft Ihnen einen erheblichen politischen Gestaltungsspielraum. Ich wünsche Ihnen Mut, auch schwierige Probleme anzugehen. Ich bin mir sicher, dass Sie mit Ihrer besonders großen Mehrheit besonders verantwortungsvoll umgehen."

Bundespräsident Joachim Gauck händigt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Ernennungsurkunde in Schloss Bellevue aus

Dass Sie heute gemeinsam in diesem Saal stehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn so zutreffend der Lehrsatz ist, dass alle demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit in der Lage sein sollten, so schwierig kann es dann in der Praxis sein, aus politischen Konkurrenten Koalitionspartner zu formen.

Sie haben intensive, mitunter schlafraubende Verhandlungen hinter sich. Und Sie haben es sich in ihren Parteien nicht leicht gemacht. Zu guter Letzt haben Sie etwas unter Beweis gestellt, das zu den wichtigsten Tugenden unserer Demokratie gehört: Kompromissfähigkeit. Dafür verdienen Sie Anerkennung und Respekt.

Deutschland braucht eine stabile, eine handlungsfähige Regierung. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie unsere Partner in Europa und in der Welt.

Die große Koalition, die Ihre Regierung trägt, verfügt über vier Fünftel der Sitze im Deutschen Bundestag. Das verschafft Ihnen einen erheblichen politischen Gestaltungsspielraum. Ich wünsche Ihnen Mut, auch schwierige Probleme anzugehen. Ich bin mir sicher, dass Sie mit Ihrer besonders großen Mehrheit besonders verantwortungsvoll umgehen.

So wie unser Land eine handlungsfähige Regierung benötigt, so braucht es eine handlungsfähige parlamentarische Opposition – mag sie auch zahlenmäßig klein sein. Das ändert nichts an ihrer unverändert wichtigen Rolle, Ihre Regierung zu kontrollieren und politische Alternativen zu formulieren. Das gehört zu den essentialia unserer parlamentarischen Demokratie.

Die Bundesrepublik wird nun zum dritten Mal von einer großen Koalition regiert werden. Das Kabinett von Kurt Georg Kiesinger, das von 1966 bis 1969 im Amt war, hatte in unruhigen Zeiten komplexe außen- und innenpolitische Probleme zu bewältigen. Die zweite große Koalition, schon unter Ihrer Führung, Frau Bundeskanzlerin, stand in den Jahren von 2005 bis 2009 im Zeichen des Kampfes gegen die Krise an den Finanzmärkten.

Wir werden erst in Zukunft wissen, welches Markenzeichen der dritten großen Koalition angeheftet werden wird. Eins aber ist heute schon klar: Deutschland steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Wir fragen uns: Werden wir den Mut zu notwendigen Reformen finden? Wie begegnen wir den Herausforderungen, die aus dem demografischen Wandel erwachsen? Wie können wir unserer Wirtschaft zu Wachstum und Zukunftsfähigkeit verhelfen, ohne errungene soziale Standards zu gefährden? Und: Bleiben wir auf einem guten Weg, Bildung für alle zu ermöglichen? Und schließlich: Werden wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern Wege aus der Staatsschulden- und Finanzkrise finden, um unser Land, die Europäische Union und die Eurozone in eine sichere Zukunft zu steuern?

Die drei einschneidenden historischen Ereignisse, derer wir im kommenden Jahr gedenken werden, führen uns die Bedeutung des europäischen Einigungswerkes noch einmal besonders deutlich vor Augen: Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges jährt sich zum 100., der Beginn des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal, die friedlichen Revolutionen in Ost- und Mitteleuropa zum 25. Mal.

Aus dieser Geschichte und seiner historischen Rolle erwächst für Deutschland die besondere Verantwortung, gemeinsam mit seinen Partnern weiter an der Union der Europäer zu bauen – einer Union, die für Frieden und Freiheit steht, für Menschenrechte und Lebenschancen. Und für diese Werte tragen wir auch über Europas Grenzen hinaus Verantwortung, Mitverantwortung jedenfalls, ebenso wie für den Fortbestand und die Reform der internationalen Ordnung.

Ich wünsche Ihnen allen eine glückliche Hand, besonders mit Blick auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, in der ganz unterschiedliche Menschen gut und in selbstverständlicher Vielfalt miteinander leben wollen.

Ich werde Ihnen nun die Urkunden überreichen. Es gilt dann für Sie, in praktische Politik umzusetzen, was Sie sich gemeinsam vorgenommen haben. Dafür wünsche ich Ihnen Erfolg und Gottes Segen!