Tischrede von Bundespräsident Johannes Rau bei einem Abendessen, gegeben aus Anlass des Staatsbesuches des Staatspräsidenten Mexikos, S. E. Vincente Fox

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 29. Januar 2003

Ihr Besuch ist ein Besuch bei guten Freunden, die sich Ihnen, Ihrem Land und seinen Menschen eng verbunden fühlen. Das gilt besonders für unsere Hauptstadt Berlin. Sie ist nicht nur seit fast zehn Jahren Partnerstadt der mexikanischen Hauptstadt - Berlin war auch der Wohnort von Alexander und von Wilhelm von Humboldt. Bilder von ihren Reisen nach Lateinamerika finden Sie auch hier in den Räumen von Schloss Bellevue.

Fühlen Sie sich deshalb hier wie zu Hause.Alexander von Humboldt kam vor 200 Jahren nach Mexiko. Mit seinem "Politischen Essay über das Koenigreich von Neu-Spanien" brachte er den Deutschen, und nicht nur ihnen, Ihr Land, seine Menschen und seine Naturschönheiten näher. Bereits 1823 schrieb die "Allgemeine Preußische Staatszeitung" voller Enthusiasmus: "Überhaupt hat die Natur Mexiko so begünstigt, dass es nur einer sorgsamen Regierung und eines freien Verkehrs mit anderen Nationen bedarf, um in kurzem eines der blühendsten Länder beider Weltteile (Europa und Amerika) zu werden." Soweit diese Stimme von 1823.

Der Faszination Ihres Landes sind Deutsche immer schon erlegen. Wie viele deutsche Jungen haben nicht mit roten Ohren von der Eroberung Mexikos durch Cortez gelesen und mit Montezuma gelitten, oder sich bei Karl Mays "Benito Juarez" gefragt, was Dichtung und was Wahrheit sei? Seit der Entdeckung Mexikos ist der Strom der Deutschen nach Mexiko nicht abgerissen. Sie kamen als Handwerker und Kaufleute, als Bergleute und Wissenschaftler, und in jüngster Zeit als Unternehmer und nicht zuletzt als Touristen. Rund 300.000 sind es jährlich, die Ihr Land besuchen, angezogen von der reichen Geschichte, von Monumenten und Städten mit so geheimnisvollen Namen wie Teotihuacan und Veracruz, von den tropischen Stränden und nicht zuletzt von der Gastfreundschaft und dem Temperament der Mexikaner.

Den Berichten Alexander von Humboldts ist es auch zu verdanken, dass die deutschen Hansestädte und Preußen schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Verträge über "Freundschaft, Schifffahrt und Handel" mit Mexiko abschlossen. Heute sind unsere Beziehungen von einer solchen Dichte, dass wir sie als "strategische Beziehungen" bezeichnen können.Über 800 deutsche Firmen haben sich bisher in Mexiko niedergelassen. Sie haben die günstige Lage Ihres Landes als Brücke zwischen Nord-, Zentral- und Südamerika, zu Europa und zum asiatisch-pazifischen Raum genutzt. Mexiko ist für deutsche Unternehmer und Investoren ein attraktives Land. Ich möchte auch die mexikanischen Unternehmer einladen, sich stärker als bisher in Deutschland umzusehen und unsere Märkte zu entdecken. Deutschland, im Herzen Europas, ist eine gute Basis für Geschäfte in West-, Mittel- und Osteuropa - insoweit ist unsere strategische Lage der Ihren nicht ganz unähnlich.

Vor wenigen Tagen ging in Berlin das Mex@rtes-Festival zu Ende, die bisher größte Schau mexikanischer Gegenwartskunst in Berlin. Mit über 150.000 Besuchern von September bis Dezember 2002 war sie ein großer Erfolg. Sie hat gezeigt, wie stark das Interesse meiner Landsleute an Ihrer Kultur ist. Daher freue ich mich auch darüber, dass ab Mai eine weitere bedeutende Ausstellung hier in Berlin gezeigt werden wird. Sie soll uns die Kultur der Azteken näher bringen. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, dafür, dass Sie beide Ereignisse unterstützt haben.

Im Gegenzug werden wir im September in Mexiko-Stadt eine große Alexander-von-Humboldt-Ausstellung zum 200. Jahrestag seiner Reise nach Mexiko eröffnen. Auch die Wissenschaftszusammenarbeit gewinnt an Bedeutung. Mit der Eröffnung des Büros des DAAD in Mexiko-Stadt hat sich der Studenten- und Wissenschaftler-Austausch deutlich intensiviert. Der Sonderlehrstuhl "Wilhelm und Alexander von Humboldt" wird auch in diesem Jahr wieder mit einem Wissenschaftler von internationalem Renommee nachbesetzt. Damit entsprechen wir auch dem Wunsch Alexander von Humboldts, der mit 52 Jahren sagte: "Ich will Europa verlassen und in den Tropen des spanischen Amerika leben. Ich habe ein großes Projekt einer großen Wissenschaftseinrichtung in Mexiko."

Ich lade die mexikanischen Wissenschaftler und Studenten ein, nach Deutschland zu kommen und hier bei uns zu studieren und zu forschen. Sie sind herzlich willkommen.

In den vergangenen Jahren gab es in Ihrem Land, Herr Präsident, große politische Veränderungen. Das waren gewiss nicht immer leichte Prozesse. Dennoch waren sie geprägt von Respekt, Toleranz und friedlichem Miteinander. Unter Ihrer Regierung setzt Mexiko konsequent den Weg demokratischer Konsolidierung fort. Entschlossen arbeiten Sie daran, den Rechtsstaat, die Menschen- und Minderheitenrechte zu stärken. Voller Energie haben Sie sich ein umfangreiches Reformprogramm vorgenommen. Für sein Gelingen wünsche ich Ihnen von Herzen viel Erfolg.Gemeinsam stehen wir im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, gemeinsam setzen wir uns für ein friedliches Zusammenleben der Völker ein. Seit Beginn dieses Jahres ist auch Deutschland, neben Mexiko, Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Vereinten Nationen und die multilaterale Zusammenarbeit zu stärken.

Im vergangenen Sommer hat sich erwiesen, dass die Freundschaft unserer beiden Länder nicht nur auf dem Papier steht, sondern lebendig ist. Als eine Hochwasserkatastrophe unser Land heimsuchte, standen die Mexikaner solidarisch an unserer Seite. Dafür möchte ich Ihnen und Ihren Landsleuten heute danken.

Meine Damen und Herren, ich erhebe mein Glas auf das Wohlergehen von Präsident Fox und von Frau Sahagun de Fox, auf eine glückliche und friedliche Zukunft des mexikanischen Volkes, und auf die Freundschaft zwischen Deutschland und Mexiko.